WUM 2/2020

In den Wochen des Lockdowns wur- de oft davor gewarnt, dass dessen po- sitive Wirkungen auf den Ausstoß von Treibhausgasen und die Luftqualität nur von kurzer Dauer sein könnten, und sich mit den Programmen für eine wirt- schaftliche Erholung womöglich in ihr Gegenteil verkehren. Diese Erfahrung machte man bereits nach der großen F i nan z - und Wi r t s cha f t s k r i s e 2008/2009, inderenNachklangdieKon- junktur – der Kritik von Vertreter*innen der ökologischen Ökonomie zum Trotz – um beinahe jeden Preis wieder an­ gekurbelt werden sollte. Angesichts der politischen Entwicklungen im Jahr 2019 (Fridays for Future, Europäischer Green Deal, etc.) besteht aber Hoff- nung, dass es dieses Mal anders laufen könnte. Erste Signale für nachhaltige Politik Erste Signale in diese Richtung zeichnen sich bereits ab. So haben die französische und die österreichische Regierung die Pakete zur Rekapitali- sierung der Luftfahrtunternehmen mit einigen Klimaschutzklauseln verbun- den. In Österreich hat sich darüber hinaus die Gewerkschaft massiv gegen Dumpinglöhne in der Luftfahrt zur Wehr gesetzt und damit die Verschärfung unfairer Wettbewerbsbedingungen auf Kosten von Arbeit und Klima ge- bremst. Auch das deutsche Konjunk- turprogramm hat eine klimapolitische Note. Gleichzeitig wird in vielen Städten mit einer neuen Verteilung des öffent- lichen Raums experimentiert, um den Platz für Fuß- und Radverkehr auszu- weiten. Welche Lehren wird die Corona- Krise also rückblickend für nachhaltige Entwicklung bereitgehalten haben? Zu- nächst hat sie gezeigt, dass entschlos- senes politisches Handeln möglich ist. Die Bevölkerung trägt selbst drastische Maßnahmen mit, wenn deren Notwen- digkeit plausibel erklärt werden kann. Zunehmend entsteht der Eindruck, dass das für klimapolitische Weichen- stellungen ebenso gilt. Die Pandemie verdeutlicht aber auch, dass jede Krise soziale Ungleichheiten offenlegt und womöglich verschärft. Wer weniger Einkommen und kein Vermögen hat, bzw. in prekären Umständen lebt, kann sich schlechter vor den Folgen einer Pandemie oder des Klimawandels zu schützen. Um in der wirtschaftlichen Erho- lungsphase Gesundheit, sozialen Zu- sammenhalt und Klimaschutz gleich- zeitig zu fördern, wird es daher neben den Systemen der sozialen Sicherung auch gezielte Investitionen brauchen, finanziert durch ein gerechtes Steu- ersystem und ergänzt um durchdach- te Ge- und Verbote. Nicht nur die AK hat dafür bereits ein Forderungspapier vorgelegt (siehe Kasten unten). Auch die Initiative UMWELT + BAUEN (Ge- werkschaft Bau-Holz,Bundesinnung Bau, GLOBAL 2000 u.a.) hat den soge- nannten „UMWELT+BAUEN-Marshall- Plan” erarbeitet, mit dem die Corona- Krise klimaschonend und beschäfti- gungs wirksam überwunden werden soll. Und in der europäischen Politik birgt die Corona-Krise womöglich tatsächli- che Chancen, die die Union eine neue Stufe der Solidarität erklimmen lassen. Erste positive Signale kamen nicht nur von der EZB. Auch die Kommissi- on reagierte mit der vorübergehenden Außerkraftsetzung der europäischen Schulden- und Defizitregeln und einem ersten EU-Maßnahmenpaket im Aus- maß von mehr als 500 Milliarden Euro, das bereits im April 2020 verabschiedet wurde, schnell. Per Stand Ende Mai 2020 soll dieses zur vorübergehenden Verstärkung des avisierten europäi- schen Aufbauplans um 750 Mrd. Euro aufgestockt werden. Zu diesem Zweck würden erstmals für den EU-Haushalt Mittel auf den Finanzmärkten aufge- nommen. Die Schlagkraft der europä- ischen Ebene wäre damit deutlich ge- stärkt. ¨ ERHOLUNGSPLAN ÖSTERREICH NEU STARTEN – DIE GERECHTIGKEITSOFFENSIVE Unter diesem Titel hat die AK im Mai 2020 einen Plan für eine sozial ausgewogene wirtschaftliche Erho- lung vorgelegt. Darin werden sechs Schwerpunkte gesetzt: • Arbeitslosigkeit auf Vorkrisenni- veau senken: u.a. Aufstockung des AMS-Personals, Chance 45 (40.000 Arbeitsplätze für gemeinnützige Tä- tigkeiten), Weiterbildungsoffensive • Sozialstaat krisenfest machen: u.a. Erhöhung der Krisenresilienz im Gesundheitssystem (Versorgung mit Medikamenten, Kapazitäten etc.), Pflege nachhaltig sichern, Schul­ offensive • Armut und Armutsgefährdung bekämpfen: u.a. Anhebung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, rasche Umsetzung eines Mindest- lohns von 1.700 Euro brutto pro Monat • Öffentliche Investitionen mit Dop- pelnutzen: Schwerpunkte Klima & Energie, Digitalisierung und geförder- ter Wohnbau, u.a. Einführung einer flächendeckenden Lkw-Maut • Gemeinsame europäische An- strengungen zur Finanzierung der Krisenkosten: u.a. goldene Investiti- onsregel, flexibilisierter Europäischer Stabilitätsmechanismus • Gerechte Steuerbeiträge: insb. Steigerung der Steuerleistung der obersten fünf Prozent und von Groß- konzernen, u.a. durch eine befristete Vermögensabgabe (ab 10 Mio. Euro) Details unter https://www.arbeiter- kammer.at/interessenvertretung/oes- terreichneustarten/index.html Um den Sozialstaat krisenfest zu erhalten, braucht es viel mehr Beiträge von den Superreichen. AK PRÄSIDENTIN RENATE ANDERL www.arbeiterkammer.at Wirtschaft & Umwelt 2/2020 Seite 13

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