WUM 2/2020
frage. Gastronomie und Tourismus kamen fast völlig zum Stillstand, Kunst- und Kulturinstitutionen mussten die Tore schließen, und auch viele Sparten im Einzelhandel kamen zum Erliegen. Schon im März – anfangs noch ohne Ausgangsbeschränkungen – lag die Nachfrage nach Konsumgütern (ohne Lebensmittel) um fast 30 Prozent nied- riger als im März des Vorjahres. Dieser Rückgang spiegelt sich auch in den Staatseinnahmen wider: Diese waren im April 2020 um 2,2 Milliarden Euro geringer als im April 2019. Allein das Aufkommen der Umsatzsteuer sank in diesem Monat im Vergleich zum Vorjahr um 31 Prozent. Dieser Nachfrageeinbruch zog sofort auch Produktionsrückgänge nach sich. Die Folge: ein beispielloser Anstieg der Arbeitslosigkeit. Die rasche Einfüh- rung von Kurzarbeit in vielen Betrieben konnte noch höhere Arbeitslosigkeit verhindern. … führt zum Rückgang der Produktion Die internationale Verflechtung der Wirtschaft hat zur Folge, dass der Nachfrageeinbruch in Europa, der sich ab Februar bemerkbar machte, auch die Länder trifft, die Europas Fabriken und KonsumentInnen beliefern. Da- mit trifft die Pandemie viele Menschen in diesen Ländern doppelt: durch die Krankheit und durch die Armut. Denn in Staaten ohne funktionieren- des öffentliches Gesundheitssystem, etwa in Brasilien, Peru, aber auch den USA, ist die Lage dramatisch. Dort trifft die Krankheit in viel höherem Maß die arme Bevölkerung. Die Eindämmung funktioniert schlechter, weil Menschen arbeiten gehen müssen, wenn kein so- ziales Netz da ist, das sie hält. Indische Tagelöhner*innen stan- den durch den Lockdown plötzlich vor dem Nichts. Näher*innen in Ostasien wurden für die schon geleistete Arbeit ihre Hungerlöhne vorenthalten, weil Modeketten die Bestellungen stornier- ten. Hunderten Millionen Schulkindern fehlte durch die Schulschließungen ihre Hauptmahlzeit. Wieder trifft es die Armen Aber auch in Österreich trifft der Lockdown die Reichen und die Armen verschieden stark. Zum Höhepunkt der Corona-Krise war mehr als eine hal- be Million Menschen in Österreich ar- beitslos. Besonders stark traf das die Gastronomie, das Transportwesen und den Bau – Branchen, die nicht für hohe Löhne bekannt sind. Statt des ohnehin schlechten Lohns gibt es nur 55 Prozent davon als Arbeitslosengeld. Für Men- schen, die geringfügig angestellt waren oder scheinselbstständig auf McJobs angewiesen waren, ist die Lage noch prekärer. Im Gegensatz dazu konnten Menschen aus besser bezahlten Be- rufsgruppen ins Home-Office wechseln oder erhielten im Falle von Kurzarbeit immerhin noch zumindest 80 Prozent ihres Gehalts. Ausgangssperre und Heimarbeit las- sen auch die Ungleichheit der Wohn- verhältnisse zutage treten. Für viele Menschen in beengten Wohnverhält- nissen wird die Isolation zur echten Be- lastungsprobe. Wenn dann noch Schul- kinder zu betreuen sind und Großeltern keine Betreuung übernehmen können, kann die Situation eskalieren. Man muss kein Marxist sein, um zu erkennen, dass der Kapitalismus glei- chermaßen auf der Ausbeutung von Arbeitskraft und Umwelt beruht. Die spannende Frage besteht darin, wie die Rahmenbedingungen geändert wer- den müssen, damit menschenwürdige Arbeit für alle und größtmöglicher Um- weltschutz kein Widerspruch sind. So wird die Wirtschaftsleistung in Österreich heuer deutlich schrumpfen. Gleichzeitig haben wir alle während des Lockdowns zu spüren bekommen, welche Produkte und Dienstleistungen wirklich wichtig sind und welche nicht. Schwerpunkt Neustart mit Chancen www.ak-umwelt.at Seite 16 Wirtschaft & Umwelt 2/2020 ª FOTOS: EML AK WIEN (1)/DAVID GREENWOOD-HAIGH/PIXABAY (1) Auch solche Beschränkungen trafen Ärmere wesentlich härter. WENIGER HANDEL In der EU sanken von Jänner zu März die Importe von Maschinen und Fahrzeugen um 15 Prozent, die von Energie – vor allem Rohöl – sogar um 30 Prozent. Die sinkende Nachfrage führte zu Treibstoffpreisen unter einem Euro pro Liter. Die Welthandelsorgani- sation WTO schätzt, dass das Volumen des Welthandels 2020 um 13 bis 32 Prozent zurückgehen könnte. Die Kurzarbeit, die es zur Zeit in vielen Betrieben gibt, weist in die Richtung einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung.
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