WUM 2/2020

• www.arbeiterkammer.at Wirtschaft & Umwelt 2/2020 Seite 9 MEHRWEG Ausbau gefordert Greenpeace und AK Wien haben im März einen massiven Ausbau von Getränke-Mehr- wegsystemen gefordert – etwa durch die Einführung einer ge- setzlichen Mehrwegquote, die Kennzeichnungspflicht und Standardisierung von Mehrweg- flaschen sowie die Einführung eines Pfandsystems für Einweg- verpackungen. Der Handel hat entsprechend der Sozialpartner- empfehlung Mehrweg die Quote seit 2011 stabilisiert. Doch zehn Jahre später darf und soll man sich neue Ziele vornehmen. Ein breiteres Mehrwegangebot ist gefordert und eine Kennzeich- nung für Konsument*innen was Ein- und Mehrweg ist. HO EU-KREISLAUFWIRTSCHAFTSPAKET Neuer Anlauf Kürzlich hat die BAK ihre Position zum zweiten EU-Kreislaufwirt- schaftspaket übermittelt. Die BAK unterstützt den breiten Ansatz der Kommissionsmittei- lung, die den Schwerpunkt auf die Phase der Herstellung und die nachfolgende Nutzung legt, viele der Probleme klar anspricht und auch in den Maßnahmenvor- schlägen konkret wird. Kritisch werden aber Versäumnisse und Schieflagen beim „ersten“ Kreis- laufwirtschaftspaket gesehen. Dies betrifft den fehlenden Sozi- alen Dialog, die unzulänglichen Vorkehrungen, damit die nötige Konsument*inneninformation unabhängig von Herstellerinte- ressen möglich ist, und fehlende Vorgaben der EU-Abfallrahmen- richtlinie (ARRL), u.a. damit In- Sich-Geschäfte im Rahmen von Systemen zur Erweiterten Her- stellerverantwortung (Extended Producer Responsibility – EPR) verhindert werden. HO INTERVIEW MIT DEM WIENER STADTRAT PETER HACKER CORONA AUCH ALS SOZIALE KRISE MEISTERN Wien ist eine Millionenstadt, die die erste COVID-19 Welle ohne Engpässe im Gesund- heitssystem, mit geringen Infektionszahlen und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Dienstleistungen bewältigt hat. Die Politik der Stadt hat einen großen Anteil daran. Was sind die wichtigsten Ansatzpunk- te und Erfolge der Krisenbekämpfung durch die Stadt Wien? Die Stadt Wien hat bereits sehr früh die Pandemie wahrgenommen und schon im Jänner einen Krisenstab gebildet. Wir ha- benmit dem Gesundheitstelefon 1450 als zentrale Anlaufstelle und dem Ärztefunk- dienst mit den mobilen Testteams erste entscheidende Maßnahmen gesetzt, um im Verdachtsfall rasch testen zu können. Wir haben die Spitäler geschützt, plan- bare Aufnahmen in den Krankenhäusern verschoben, Betten – vor allem auch im Intensivbereich – freigemacht und besonders gefährdete Personengruppen – wie Menschen in Pflegeeinrichtungen – streng geschützt. Wien gehört deshalb unter den Millionenmetropolen Europas zu jenen mit den wenigsten Infizierten und Toten. Jetzt, nachdem die Epidemie zurückgegangen ist, gehen wir den Infek- tionsketten penibel nach. Die Corona-Krise ist nicht nur eine gesundheitliche, sondern auch eine soziale Bedrohung. Wie geht die Stadt damit um? Diese soziale Bedrohung macht mir besonders große Sorgen. Nach der Kurz- arbeit ist in vielen Betrieben mit Kündi- gungen zu rechnen, auch werden nicht alle Firmen diese Krise überleben. Die Bundesregierung redet dieses Problem derzeit klein. Ich will endlich Hilfspake- te, die auch wirklich bei den Menschen ankommen. Die Stadt Wien setzt viele Schritte, um eine soziale Krise abzufe- dern. So werden Gastrogutscheine für alle Haushalte verteilt, um der Gastrono- mie zu helfen und Arbeitsplätze zu erhal- ten. Es wurde eine sehr gut angenom- mene Homeofficeförderung geschaffen; die Stadt Wien beteiligt sich zudem an Firmen, um Jobs zu sichern; nicht zuletzt unterstützt die Stadt Wien die Wiederbe- lebung des Tourismus. Die öffentlichen Dienstleistungen der Daseinsvorsorge – Spitäler, Pflege, öffentlicher Verkehr, Strom- und Was- serversorgung – haben sich in der Krise als Rückgrat der Krisenbewältigung bewiesen. Welche Lehren könnte man daraus ziehen? Die wichtigste Lehre ist, dass der Markt nicht alles regelt und dazu gehören sicher die zentralen öffentlichen Dienst- leistungen im Gesundheitsbereich. Für mich ist die wichtigste Lehre, dass wir im Gesundheitsbereich den Forderungen nach möglichst wenig Betten, reduzier- tem Personal und privatisierten Gesund- heitseinrichtungen nicht nachkommen werden. Große Einheiten sind robuster als kleine, da sie flexibler agieren können, sollte mal eine Abteilung unter Quarantä- ne gestellt werden. Wie sollen in Zukunft neue Infektions- wellen vermieden und negative soziale Folgen minimiert werden? In erster Linie muss unsere Wirtschaft wie- der belebt werden. Die Bundesregierung hat zwar versprochen „koste es, was es wolle“ jetzt aber wird geknausert. Unzäh- lige Unternehmen wissen nicht, wie es weitergehen soll. Darunter leiden natürlich auch zig Tausende Arbeitnehmer. Man hat das Gefühl, die Bundesregierung unter- nimmt viel zu wenig. Die Wahrscheinlich- keit einer zweiten Welle ist sicher gegeben. Wir werden österreichweit einen Betten- plan brauchen, um dann sofort COVID- Betten zur Verfügung zu haben. Sehr wichtig ist auch, dass die Regierung ein Rettungspaket für das Gesundheitswesen schnürt, denn durch die höhere Arbeits- losigkeit gehen der Krankenversicherung sehr hohe Beitragssummen verloren. Peter Hacker ist amtsführender Stadtrat für Soziales, Gesundheit und Sport in Wien.

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