Wirtschaft & Umwelt 1/2019

in der Industrie. Im Jahr 2018 kaufte die deutsche Chemiefirma Bayer die US- amerikanische Monsanto und führt seit- her die Liste der umsatzstärksten Pesti- zidunternehmen an. Damit ist weiterhin die Herstellung von Pestiziden und von Saatgut für die dagegen resistenten Pflanzen in einer Hand. Vielfalt von Flora und Fauna bedroht Dem Nutzen der Pflanzenschutzmit- tel für die Landwirte stehen verschiede- ne Schäden gegenüber. Ackerbau ver- ringert nicht nur auf dem Feld die Biodi- versität drastisch, die Anwendung von Pestiziden hat auch im Umfeld negative Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen. Diese Wirkung kann direkt oder indirekt sein. So schädigen beispielsweise be- stimmte Insektizide, die sogenannten Neonicotinoide, auch nützliche Insek- ten wie etwa Bienen. Erst nach längerer Diskussion wurden drei dieser Wirk- stoffe in der EU im Jahr 2013 einer weit- gehenden Beschränkung unterworfen. Zusätzlich zu den direkten Schäden können indirekte Schäden auftreten, wenn etwa als Folge des Verschwin- dens bestimmter Blütenpflanzen durch Herbizide auch Insekten weniger wer- den. So wird etwa in den letzten Jah- ren diskutiert, welche Rolle Pestizide beim Rückgang der Gesamtmenge an fliegenden Insekten spielen, der in Deutschland beobachtet wird. Neben den Umweltwirkungen der Pestizide spielen Gesundheitsschäden eineRolle, einerseits bei denMenschen, die beruflich mit den Mitteln umgehen, andererseits bei den KonsumentInnen der Lebensmittel, auf denen sich Rück- stände finden. All diese Gefahren haben dazu ge- führt, dass Pflanzenschutzmittel schon seit langem einer strengen Kontrolle unterliegen. Sowohl die einzelnen Wirk- stoffe als auch die Produkte müssen zugelassen sein, damit ihre Verwen- dung erlaubt ist. Seit 2009 ist dies in der EU-Verordnung 1107/2009 einheit- lich geregelt. Zulassungsverfahren Um dabei sicher zu stellen, dass auch neue Erkenntnisse gebührend berücksichtigt werden, müssen die Zu- lassungen der Wirkstoffe regelmäßig, maximal alle fünfzehn Jahre, erneuert werden. Ein Mitgliedstaat wird in die- sem Verfahren damit beauftragt, die Daten zusammenzutragen und eine Bewertung vorzuschlagen. Dabei wird geprüft, ob die Mittel ausreichend wirk- sam sind und ob sie oder ihre Rück- stände auf Lebensmitteln weder für Menschen und Tiere noch für die Um- welt inakzeptable Auswirkungen ha- ben, auch nicht bei chronischer Belas- tung. Standardmäßig bewertet danach die EFSA (die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) diese Daten, und die Mitgliedstaaten empfehlen in einem eigenen Ausschuss, ob die Zu- lassung erteilt werden soll. Weiters wurde 2009 auch eine Richt- linie (2009/128/EG) beschlossen, die einen „nachhaltigen Einsatz von Pflan- zenschutzmitteln“ in der EU anstrebt. Dazu sollen die Mitgliedstaaten regel- mäßig Berichte liefern, in denen die Bemühungen zur Verringerung der Ver- wendung von Pestiziden dokumentiert werden. Angesichts der steigenden Absatzmengen von Pflanzenschutzmit- teln wird klar, dass diese Richtlinie nicht mehr als ein frommer Wunsch ist. Wie sieht der Einsatz von Pestiziden in der Zukunft aus? Wird es weiterhin den Zyklus Neuentwicklung – Erfolgs- geschichte – Entdeckung von Schäden – Verbot des Mittels und Ersatz durch ein anderes, neueres geben? Kann es einen nachhaltigen Einsatz von Pflan- zenschutzmitteln geben? Die man- gelnde Zielgenauigkeit der Mittel und die Herausbildung von Resistenzen lässt Zweifel daran aufkommen. Also braucht es weiterhin eine möglichst informierte Auseinandersetzung zwi- schen Befürwortern und Gegnerinnen einer Landwirtschaft, die unter dem Druck steht, immer mehr immer billiger zu produzieren. ¨ MARKT UND HERRSCHAFT IMMER WENIGER IMMER GRÖSSERE HERSTELLER Wie in vielen etablierten Sektoren zeigt sich auch bei den Pflanzen- schutzmittel-Herstellern eine Tendenz zur Konzentration: Immer weniger Firmen teilen sich den Markt untereinander auf. Lange Zeit war von den „Big Six“ die Rede, doch nachdem sich 2017 Dow und Dupont zusammengeschlossen hatten und 2018 Bayer Monsanto gekauft hatte, sind nur mehr vier große Player übrig: Syngenta, die mittlerweile der chinesischen ChemChina gehört, DowDuPont, BASFund eben Bayer. Gerade die beiden letztgenannten, deutschen Firmen haben bereits eine lange gemeinsame Geschichte. Denn 1925 schlossen sie sich mit anderen deutschen Chemiefirmen zur „Interessen-Gemeinschaft Farbenin- dustrie“, kurz IG Farben, zusammen. Schon bald wurden die jüdischen Industriellen aus den Vorstandseta- gen entfernt, und die IG Farben begann, Hitlers Machtergreifung finanziell zu unterstützen. Einer der Aufgabenbereiche war die Entwick- lung von Pestiziden. So stammt etwa das Insektizid Parathion aus dieser Zeit. Wer sich für die Verquickung von Industriemacht und Totalitaris- mus interessiert, dem sei die Geschichte der IG Farben ans Herz gelegt (z. B. Diarmuid Jeffreys: Weltkonzern und Kriegskartell). Nach dem Krieg erwirkten die Amerikaner eine Aufspaltung der IG Farben, so dass seither BASF und Bayer wieder eigene Wege gehen. Die steigenden Absatzmengen zeigen, dass ein „nachhaltiger Einsatz“ von Pflanzenschutz- mitteln wohl nur ein Wunschtraum ist. www.arbeiterkammer.at Wirtschaft & Umwelt 1/2019 Seite 13

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