Wirtschaft & Umwelt 1/2019

erklärt, Glyphosat sei nicht krebs- erregend, da könne man sich „sicher sein“. Man habe mehr als 150 Studien der Hersteller und weitere 900 Studien aus der publizierten wissenschaftlichen Litratur geprüft und ausgewertet. Doch als die Expertinnen und Experten der WHO zum gegenteiligen Ergebnis ka- men, war Feuer am Dach. Viele fragten sich, wie den zwei Gesundheitsgremi- en sich so fundamental widersprechen können? Eher verstörend denn beruhigend wirkte da der Erklärungsversuch der Behörde, dass ihre Bewertung weitge- hend auf „...unveröffentlichten Studien, die der WHO-Krebforschungsagentur nicht zur Verfügung standen“ basiere. Weshalb schenkte die Behörde den Studien der Glyphosat-Hersteller mehr Vertrauen als den Studien von unab- hängigen Wissenschaftern? Wie sehr deren Ergebnisse ausein- anderklafften, habe ich im Mai des Vor- jahrs im Europaparlament in Brüssel, bei einer Expertenanhörung des Son- derausschusses für Pestizide* darge- legt, und zwar am Beispiel der Studien zur DNA-schädigenden Wirkung von Glyphosat: Das betreffende, 138-Sei- ten starke Kapitel im Behördenbericht listet 46 Herstellerstudien und 72 un- abhängige publizierte Studien auf, die sich der Frage widmen, ob Glyphosat oder glyphosathaltige Herbizide die DNA schädigen können. Während die Herstellerstudien mit einer Ausnahme keine entsprechenden Effekte berich- ten, fand die überwiegende Mehrzahl der unabhängigen Studien sehr wohl DNA-schädigende Effekte und da- mit den Nachweis eines molekularen Mechanismus für die Erzeugung von Krebs. Die Plagiatsaffaire Das führt uns zu der Frage, wie die Behörde denn auf diesen offensicht- lichen Widerspruch reagiert hat? Die Antwort ist ebenso einfach wie verblüf- fend: Sie wertete keine einzige (!) der unabhängigen Studien als zuverlässig oder relevant. Somit waren die für die Hersteller unvorteilhaften Studien mit einem Schlag aus dem Rennen. Doch waren das exakt jene Studien, in denen die Expertinnen und Experten der WHO „starke Beweise“ für die DNA-schädi- gende Wirkung von Glyphosat erkannt hatten, was uns zu der nächsten Frage führt: Mit welcher wissenschaftlichen Begründung konnte die Behörde all diese Studien als „unzuverlässig“ ab- stempeln? Die Antwort ist erneut einfach und verblüffend: Die Begründungen lieferte Monsanto. Die Behörde schrieb ihre ge- samte Argumentation, weshalb die pub- lizierten Studien allesamt unzuverlässig seien, Wort für Wort aus dem Zulas- sungsantrag ab. Das betreffende Kapitel im Behördenbericht umfasst 46 Seiten. Die Behörde gibt darin vor, eine unab- hängige Bewertung durchzuführen, wie vom Gesetz verlangt. In Wahrheit ko- pierte sie jedoch die Bewertung eines Monsanto-Wissenschaftlers, ohne des- sen Autorschaft kenntlich zu machen, wie der Plagiatsforscher Stefan Weber und ich in einer gemeinsamen Studie im Auftrag von Europaparlamentariern nachgewiesen haben. Die Studie wurde am 14. Jänner 2019 im Europaparla- ment in Straßburg vorgestellt. Bleibt noch eine letzte Frage: Wie kommt es, dass die Studien der Her- steller im Gegensatz zur Mehrzahl der publizierten Studien anscheinend keine genotoxischen Effekte fanden? Auf- schluss könnte nur eine unabhängige Auswertung der betreffenden Original- studien geben. Da diese aber von Mon- santo & Co. unter Verschluss gehalten werden, ist das derzeit unmöglich. In einem Fall, war es hingegen möglich und führte prompt zu einem Ergebnis, das explosiver nicht hätte sein können: Zwei Krebsstudien mit Mäusen – eine Schwerpunkt Pestizide Herstellerstudien Publizierte Studien DNA-Schädigung keine DNA-Schädigung nicht eindeutig www.ak-umwelt.at Seite 16 Wirtschaft & Umwelt 1/2019 ª FOTOS: EML/AK-WIEN (1) QUELLE: KAPITEL B.6.4 GENOTOXICITY DES FINALEN BEWERTUNGSBERICHTS Die unpublizierten Studien der Hersteller und die publizierten Studien aus der wissenschaftlichen Literatur zeichnen ein sehr unterschiedliches Bild von der DNA-schädigenden Wirkung (Genotoxizität) von Glyphosat. GEFÄHRLICHER ALS DIE ZUGELASSENEN MITTEL Auch Landwirte bestellen online, z.B. billige, gefälschte Pflanzenschutzmit- tel. Durch die EUIPO* kam zu Tage, dass etwa 14 % der in der EU verwendeten Mittel gefälscht waren. Der Handel mit diesen ist laut Europol einer der am schnellsten wachsenden kriminellen Bereiche der EU. Die Auswirkungen auf die Umwelt können verheerend sein! QUELLE: APA/*EU-AMT F. GEISTIGES EIGENTUM Das Gesetz sagt eigentlich, dass Pestizide nur zugelassen werden, wenn sie keine sofortigen oder verzögerten gesundheitsschädlichen Auswirkungen haben.

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