Wirtschaft & Umwelt 1/2019

Landwirtschaft, Industrie und anderen Verschmutzungen haben und keine „End-of-Pipe-Lösungen“ sind. Bei der Zulassung von neuen chemischen Stof- fen ist zukünftig daher immer auch der Einfluss auf die Ressource Wasser stär- ker zu berücksichtigen. In Untersuchungen von Pestiziden in Lebensmitteln werden oftmals Rück- stände von mehreren Pestiziden ge- funden. Über die kumulative Wirkung dieser Rückstände gibt es aber kaum Untersuchungen. Hier wäre intensi- vere Forschung notwendig, um mehr über diese „Cocktailwirkungen“ auf die menschliche Gesundheit und die Um- welt zu erfahren. Bei Vorliegen mehrerer Pestizidrückständewäre es zielführend, dass die Summe der Anteile der einzel- nen Stoffe am jeweiligen Grenzwert 100 Prozent nicht überschreiten dürfte. ¨ Trinkwasser ist Wasser, das in naturbelassenem Zustand oder nach Aufbe- reitung geeignet ist, vom Menschen ein Leben lang ohne Gefährdung seiner Gesundheit verzehrt zu werden. (Codex-Richtlinie) www.arbeiterkammer.at Wirtschaft & Umwelt 1/2019 Seite 21 Welchen Anteil haben aus ihrer Sicht Pestizide beim Rückgang der Biodiversität? Viele Insektizide und Herbizide – Glyphosat ist hier nur ein Beispiel – beeinträchtigen unsere Insekten und wilde Ackerpflanzen erheblich. In der Folge gehen auch die Bestände der Vögel zurück. Ich setze mich deswegen in Deutschland für ein Ende des Einsatzes von Glyphosat ein. Der Einsatz von Pestiziden muss aber darüber hinaus gene- rell umwelt- und naturverträglicher werden. Ich will, dass schon im Zu- lassungsverfahren der Naturschutz gestärkt wird. Wohl gibt es noch Forschungsbedarf zu den genauen Auswirkungen, aber wir wissen längst genug, um zu handeln. Pesti- zidreduktion spielt eine wesentliche Rolle beim Kampf gegen den Verlust der biologischen Vielfalt. Was tut die EU in Sachen Pestizide? Die EU hat hierzu die Richtlinie für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden verabschiedet. Sie will Alternativen zu Pestiziden fördern, die ohne den Einsatz von Chemie auskommen, wie z.B. mechani- sche Unkrautbekämpfung oder Nützlingen. Ausdrücklich ist in der Richtlinie auch das langfristige Ziel formuliert, die Abhängigkeit der Landwirtschaft von der Verwendung von Pestiziden zu verringern. Die Richtlinie bildet nur den Rahmen, der von jedem EU-Mitgliedstaat mit entsprechenden Maßnahmen gefüllt werden muss. Ich setze mich dafür ein, den Einsatz von Pestiziden in Deutschland zu verringern. Die von der Bundesregierung verein- barte Ackerbaustrategie ist hier ein wichtiger Schritt. Federführend ist hier jedoch das Landwirtschaftsmi- nisterium. Was konkret planen Sie in Deutschland zum Insekten- schutz? Ich habe einen Vorschlag für ein „Aktionsprogramm Insektenschutz“ auf den Tisch gelegt, der jetzt innerhalb der Bundesregierung abgestimmt wird. Im Zentrum steht ein Umsteuern in der Landwirt- schaft. Unsere Äcker sollen wieder einladender werden für Insekten. Das heißt: Wir wollen eine Land- wirtschaft fördern, die den Insekten nicht schadet, sondern ihr Überle- ben ermöglicht. Auch in den Städten sollen Insekten besser geschützt werden. Die notwendigen Geset- zesänderungen will ich in einem „Insektenschutzgesetz“ bündeln. Ist eine pestizidfreie Umwelt für Sie eine Vision? Was wir brauchen ist ein insgesamt umwelt- und naturverträglicher Pflanzenschutz. Ich leite jetzt die Schritte ein, die aus meiner Sicht umsetzbar und effektiv sind. Dazu gehört die Weiterentwicklung des rechtlichen Rahmens für den Einsatz von Pestiziden, z.B. durch Anwen- dungseinschränkungen im deut- schen Pflanzenschutzgesetz sowie eine konsequente Umsetzung des geltenden EU-Zulassungsrechts: Bei der Pestizidzulassung müssen wir den Schutz der Biodiversität sicher- stellen. Das heißt: Ein Mittel darf nur zugelassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Biodiversität vertretbar sind. INTERVIEW MIT DER DEUTSCHEN BUNDESUMWELTMINISTERIN SVENJA SCHULZE PESTIZIDE UND BIODIVERSITÄT Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft und im Hausgarten negative Auswirkungen auf die Biodiver- sität hat. Wie sollten wir zukünftig mit dem Thema Pestizide umgehen? Die deutsche Bundesministern Svenja Schulze hat hier einiges vor. *Svenja Schulze ist die deutsche Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. FOTO: BMU/SASCHA HILGERS (1), PIXABAY.COM (1)

RkJQdWJsaXNoZXIy NDIxOTE=