WUM 01/2020
Agrarminister*innen. Für die Neure- gelung der Agrarförderungen ab 2022 wird – allerdings nur für einen Teil – eine Grenze von 100.000 € pro Betrieb vor- geschlagen. Diese Beschränkung wird jedoch wenig Wirkung zeigen, denn eine Bauernfamilie kann mehrere Be- triebe haben. Zudem werden die Löh- ne ihrer Beschäftigten und die fiktiven Löhne der Betriebsführer*innen dazu- gerechnet. Daher wird es auch weiter- hin Fördermillionäre geben. Auch Groß- investoren, die Ländereien aufkaufen, werden weiterhin in den Genuss von Steuergeldern aus dem Agrartopf kom- men. Zukünftig werden die Agrarmilliar- den an immer weniger Betriebe gehen. Eine Studie der DZ Bank in Frankfurt kommt zum Schluss, dass die Zahl der Arbeitsplätze in Landwirtschaftsbetrie- ben in Deutschland von derzeit 650.000 in den nächsten 20 Jahren auf 325.000 halbiert werden könnte. Damit verbun- den ist eine extreme Zunahme an Groß- betrieben und die Frage, ob öffentliche Förderungen in diesem Umfang weiter gerechtfertigt sind. Alles spricht dafür, Agrarförderungen in Zukunft endlich zielgerechter zu verteilen. Ziele im neuen GAP-Vorschlag Bereits seit 2018 ist der Verord- nungsentwurf für die GAP 2021-27 in Diskussion. Damit sollen die Mitglied- staaten den bisher größten Spielraum dafür erhalten, wie sie die Agrarförder- mittel einsetzen wollen. Der EU-Ver- ordnungsvorschlag gibt lediglich einen Rahmen und Ziele vor, die zu erreichen sind. In Artikel 5 sind folgende drei all- gemeine Ziele formuliert: (1) „Förderung eines intelligenten, krisenfesten und diversifizierten Agrar- sektors, der Ernährungssicherheit ge- währleistet; (2) Stärkung von Umweltpflege und Klimaschutz und Beitrag zu den um- welt- und klimabezogenen Zielen der Union; (3) Stärkung des sozioökonomi- schen Gefüges in ländlichen Gebieten.“ Klar erkennbar ist: es geht dabei um wichtige gesellschaftspolitisch relevante Ziele. In den darauf aufbauenden neun spezifischen Zielen, haben drei Zielvor- gaben einen klaren Fokus auf Umwelt- und Klimamaßnahmen und nur in einem Ziel wird direkt auf landwirtschaftliche Einkommen Bezug genommen. Die In- teressen der Konsument*innen sind in einer vielfachen Hinsicht angesprochen. Ihre Erwartungen an gesunde Lebens- mittel und mehr Tierschutz sind zu be- rücksichtigen. Hervorzuheben ist, dass nicht nur der Agrarsektor, sondern der gesamte ländliche Raum gefördert wer- den soll. Demnach ist auch das Ziel der Förderung von Beschäftigung, Wachs- tum, sozialer Inklusion sowie der loka- len Entwicklung in ländlichen Gebieten umzusetzen. Skeptiker*innen befürch- ten, dass viele Mitgliedstaaten wenig an ihren bisherigen Förderkriterien ändern werden, anstatt mehr Menschen mit diesen wichtigen EU-Fördergeldern zu unterstützen. Mit demELER (Landwirtschaftsfonds für den ländlichen Raum, siehe Kasten unten) könnte der ländlichen Raum viel besser unterstützt werden. Wenn man bedenkt, dass alleine in Österreich seit dem EU-Beitritt 80.000 Bauernhöfe zu- gesperrt haben, wäre es nur logisch, dass ein guter Teil der üppigen Land- wirtschaftsfonds nicht mehr nur direkt in den Agrarsektor fließen sollte. Ge- recht wäre es, wenn im selben Ausmaß das Budget für diese Maßnahmen stei- gen würde, wie es der Abwanderung aus dem Agrarsektor entspricht. Das wären dann mindestens 25 Prozent für die nächsten Jahre und nicht 0 Prozent wie zu befürchten ist. Aber die Sicht- weise – gerade der Agrarpolitiker*innen selbst – ist hier noch immer sehr kurz- sichtig. Sie erkennen zu wenig, dass ein lebenswerter ländlicher Raum profita- bel für alle wäre. ¨ FÜR DEN LÄNDLICHEN RAUM SOZIALE DIENSTLEITUNGEN ALS GAP-MASSNAHME Viele junge Frauen verlassen das Dorf, weil sie sich in der Stadt besser aufgehoben fühlen. Mangelnde Infra- struktur in Mobilität (fehlende Anbin- dung an Zugstrecken), Kindergärten und Pflegeeinrichtungen behindern noch immer die Frauen stärker in ihrer Berufstätigkeit. Hier könnte die GAP mit dem ELER (Landwirtschafts- fonds für den ländlichen Raum) unterstützend entgegenwirken. Denn mit diesen Fördergeldern sollen In- vestitionen in die Infrastruktur sozialer Dienstleistungen im ländlichen Raum gefördert werden. Beispielsweise können dadurch Kinderbetreuungs- einrichtungen, Pflege- und Gesund- heitseinrichtungen, psychosoziale Einrichtungen und Mobilitätsprojekte gefördert werden. Diese Einrich- tungen machen ländliche Regionen lebenswerter und lokale Beschäfti- gung wird geschaffen. In Österreich sind im laufenden LE-Programm (Programm für den ländlichen Raum) jedoch nur 3 Prozent der ELER-Mittel dafür gewidmet. Mit diesen 235 Mio. €, die von der EU und den Ländern dafür zur Verfügung gestellt wurden, wurden bisher sehr erfolgreiche Pro- jekte umgesetzt. In manchen Bundesländern so erfolgreich, dass die Gelder bereits aufgebraucht sind und mehr Bedarf da wäre. Trotzdem ist es unsicher, ob diese wichtige Maßnahme weiterge- führt wird. Leider meinen auch einige Agrarvertreter*innen, dass die Gelder dieses Fonds ausschließlich direkt der Landwirtschaft gehören. Landwirtschaftliche Böden haben Potenzial CO 2 zu binden und Humus aufzubauen. Auf der anderen Seite ist die Landwirtschaft aber für enorm viel CO 2 -Ausstoß verantwortlich. www.arbeiterkammer.at Wirtschaft & Umwelt 1/2020 Seite 13
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