WUM 01/2020

Ö sterreich ist größtenteils Kultur- landschaft – seit Jahrtausenden von Land- und Forstwirt*innen gestal- tet. Die Urlandschaft ist auf Alpengipfel und wenige Urwaldreste beschränkt. Diese Urlandschaft schrumpft auch weltweit. Lange haben sich Vögel und In- sekten auf Feldern, Weiden und Mäh- wiesen mit dem Menschen arrangiert, auch kleine Säugetiere fanden Platz. Auerochs, Wisent und Wildpferd je- doch rottete der Mensch aus, vielerorts geht es auch Bär, Wolf, Luchs, Wildkat- ze und Greifvögeln an den Kragen. Wildbienen, Honigbienen und Schmetterlinge werden für die Bestäu- bung von Obst und Gemüse geschätzt, Vögel fressen Schadinsekten und sind als Sänger beliebt. Weltweit bestäuben Insekten über 80 Prozent aller Pflan- zenarten. Zwischen Feldern und – bloß zwei- bis dreimal jährlich gemähten – Wiesen gab es noch vor 50 Jahren in Österreich und Europa ein Mosaik von Hecken, Bäumen, Feldrainen, Acker- brachen, Feuchtwiesen und Streuobst- wiesen. Die Krise der biologischen Vielfalt Ummöglichst billigmehr Lebensmit- tel zu erzeugen, wurde im 20. Jahrhun- dert die Landwirtschaft industrialisiert: Felder wurden zusammengelegt, Fel- draine und Hecken „bereinigt“, Feucht- flächen entwässert, Trockenflächen bewässert, Streuobstwiesen durch Niederstamm-Obstplantagen ersetzt, Äcker und Obstgärten mit Pestiziden gespritzt, sodass auch Nützlinge und deren Futterpflanzen getötet werden. Schweine und Kühe wurden ver- mehrt mit Getreide bzw. Gras-Silage gefüttert, wobei mit der Gülle Äcker und Wiesen stärker gedüngt (Nitrat) wurden, um höhere Erträge zu erzie- len. Wiesen wurden öfter gemäht – beides für die Vermehrung von Vögeln und Insekten fatal. Aus Blumenwiesen wurden einförmige „Grasäcker“. Beim zwei- bis dreimal jährlichen Heuma- chen mit Sense oder Balkenmäher FOTOS: SÓNIA MELO (1), PRIVAT (2) Landwirtschaft und Biodiversität – ein Gegensatz? www.ak-umwelt.at SEITE 14 WIRTSCHAFT & UMWELT 1/2020 KURZGEFASST Für Ernährungssicherheit sorgen und dabei die Um- welt nicht zerstören – diese Herausforderungen versucht die „Gemeinsame Agrarpoli- tik“ (GAP) der EU zu lösen. Die künftige Förderperiode wirft ihre Schatten voraus, doch ohne eine umweltfreundliche Landwirtschafsförderung, die das Engagement von Landwirt*innen mitnimmt, wird das Vogel- und Insektenster- ben nicht gestoppt werden können. Aber auch der Handel und Konsument*innen müssen ihren Beitrag leisten. Die Landwirtschaft produziert, was wir täglich essen. Wir teilen uns die Landschaft jedoch mit vielen Tieren und Pflanzen, deren Lebensräume wir nachgewiesenermaßen durch die fortschreitende Industrialisierung der Landwirtschaft beeinträchtigen. Dieser Verlust an Biodiversität gefährdet auf Dauer unsere Umwelt und auch uns Menschen. VON CHRISTOF KUHN* Schwerpunkt Agrarpolitik quo vadis? ª * Christof Kuhn arbeitet bei der Vogel- schutzorganisation BirdLife Österreich und ist im Bereich Naturschutzpolitik (v.a. Land- und Forstwirtschaft) und Unternehmens- kooperationen im Naturschutz tätig.

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