WUM 01/2020

konnten einst viele Tiere unverletzt flüchten, während nun bis zu sechsmal jährlich für Gras-Silage gehäckselt und alles mitfaschiert wird, was nicht flieht, vom Schmetterling bis zum Rehkitz. Zudem konzentriert sich die Land- wirtschaft nun auf wenige ertragreiche Nutztierrassen und Pflanzensorten. Alte Rassen und Sorten gerieten in Vergessenheit. Landschaften wurden einförmiger – überall wurde nun ähnlich produziert; blumenreiche Schafweiden verbuschten. Auf die Almen werden be- häbige Kühe getrieben, die den Bereich um den Stall überdüngen, während die unzugänglicheren Flächen verwalden, sodass Bergblumen verdrängt werden. Aber auch das Versorgungsrisiko bei Pflanzenkrankheiten steigt durch die Verarmung an Rassen und Sorten. Von den einst etwa 4.000 Apfelsorten sind heute nur mehr ca. 20 wirtschaftlich bedeutend. Extrem ist es bei Dessert- bananen: Über 95 Prozent des Welt- handels entfallen auf eine einzige Sorte! Nicht zuletzt stieg unser Fleischhun- ger. Tiere setzen Futter aber nur teilwei- se in Fleischzuwachs um – das meiste verbrauchen sie für ihr Dasein. Solange das Vieh Gras oder Küchenreste fraß, war das sinnvoll, aber viele Tiere bekom- men nun Getreide und Soja, welches der Mensch besser selbst essen sollte. Hüh- ner brauchen pro kg Fleischzuwachs über 3 kg Futter, Schweine über 6 kg und Rinder gar über 20 kg! Die Futteranbau- flächen nahmen daher zu: in Europa wird Mais großteils verfüttert, oft muss Mais und Sojaschrot aus den USA und Bra- silien (auch gentechnisch verändert) zu- gekauft werden. Und auch für Milch gilt: die wüchsigen „Grasäcker“ und Zufüt- terung sorgen für mehr Milch, aber auch mehr Gülle. Biodiversität wird durch den Fleischkonsum weltweit bedrängt. Das Ergebnis Die Produktion stieg, zu geringen Preisen, sodass es für Bäuer*innen hieß: härter wirtschaften oder zusper- ren. Immer weniger Großbetriebe be- wirtschaften eine gleich bleibende Ag- rarfläche. 1954 gab man über 40 Pro- zent des Einkommens für Essen aus, heute weniger als 15 Prozent! „Geiz ist geil“ heizt die Effizienz-Spirale an. Seit 1998 ging fast jeder zweite Feld- oder Wiesenvogel verloren. Wiesenvö- geln geht es auf Bioflächen kaum bes- ser, da ihnen häufiges Mähen und Dün- gen hier wie da schadet. Noch trauriger bei den Insekten: Sogar in Schutzgebie- ten brachen die Bestände umdrei Viertel ein (siehe Kasten). Das zeigt auch, wie vernetzt die Landschaft ist: viele Tie- re sind mobil und brauchen Korridore und Oasen, um sich fortzupflanzen und zu wandern. Zusätzlich weht es die auf Felder und Obstplantagen gesprühten Pestizide weiter als gedacht. Die Wende Ab den 1960-ern erkannten Umwelt­ schützer*innen, aber auch manche Landwirt*innen, Medien und Politiker*­ innen, dass es so nicht weitergehen kann. Immer mehr Betriebe – anfangs belächelt – stiegen auf „Bio“ um, andere auf alternative Getreide-, bzw. Obstar- ten und Gewürze. Initiativen wie „Arche Noah“ und „Arche Austria“ begannen, seltene vergessene Pflanzensorten und Nutztierrassen zu fördern. Im Rahmen der „Gemeinsamen Ag- rarpolitik“ (GAP) versuchen die EU und ihre Mitgliedstaaten, mit Agrarumwelt- programmen umzusteuern. Doch vor allem die ohne Umweltleistung gewähr- ten Direktzahlungen förderten die wei- tere Industrialisierung mehr, als die teils ambitionierten Agrarumweltprogram- me deren Folgen reparierten. Zwar hat sich das Feld- und Wiesenvogelsterben seit 2015 verlangsamt – ob die Talsoh- le wirklich erreicht ist, bleibt unklar. Die GAP sollte daher konkrete Umweltleis- tungen belohnen – „öffentliche Mittel für öffentliche Interessen“. Auch der Lebensmittelhandel be- Schwerpunkt Agrarpolitik quo vadis? www.ak-umwelt.at Seite 16 Wirtschaft & Umwelt 1/2020 ª FOTOS: EML AK WIEN (2) Europäische Bananen (wie hier aus Kreta) haben auf dem Weltmarkt keine Chance. FARMLAND BIRD INDEX Der von der Vogelschutzorganisation BirdLife Österreich jährlich veröffent- lichte „Farmland Bird Index“ (FBI) misst die Entwicklung der Bestände von Feldvögeln wie Feldlerche, Rebhuhn, Grauammer und Kiebitz sowie Wiesenvögeln wie dem Braun- kehlchen. Von 1998 bis 2018 gingen die Bestände um durchschnittlich 44 Prozent zurück! Das Vogelsterben ist längst keine Utopie mehr – es ist Realität geworden.

RkJQdWJsaXNoZXIy NDIxOTE=