WUM 01/2020
www.arbeiterkammer.at Wirtschaft & Umwelt 1/2020 Seite 29 Auch wenn man jede Regierung erst an den konkret umgesetzten Maßnahmen beurteilen kann, macht ein Blick darauf, was die geplanten Maßnahmen für die Arbeitnehmer*innen bedeuten, und ob die Politik das Land insgesamt gerechter macht, auch schon anhand des vorgeleg- ten Regierungsprogramms Sinn. Viele der geplanten Maßnahmen sind gut, eines ist jedoch offensichtlich: Es profitieren hauptsächlich die Unternehmer*innen, die großen Konzerne, Vermögende und die Landwirtschaft. Die Arbeitnehmer*innen profitieren trotz der Lohnsteuersenkung pro Kopf deutlich weniger von den geplanten Maßnahmen dieser Regierung. Die Schieflage der Steuerpläne der letzten Legislaturperiode zugunsten der Unternehmen wurde nicht beseitigt, sondern sogar verschärft (Senkung der Körperschaftssteuer, Steuerbegünstigungen, Gewinnfreibetrag etc.). Das ist bedauerlich, denn der Druck auf die arbeitenden Menschen ist in den vergangenen Jahren massiv gestiegen, nicht zuletzt durch die Ausweitung der zulässigen Höchstarbeitszeiten (12-Stun- den-Tag/60-Stunden-Woche). Infolge des Strukturwandels durch Digitalisierung und Klimakrise und der drohenden Konjunkturflaute, wird sich die Situation weiter verschärfen. Dennoch gibt es von Seiten der neuen Regierung wenig Vorhaben, um diesen Druck zu vermin- dern. Enttäuschend ist auch, dass die Fehler beim Umbau der Sozialversiche- rung nicht ausgebessert werden, oder dass im Bereich Migration, Integration und Asyl die harte Linie fortgesetzt wird, auch wenn die Einhaltung der Menschen- rechte und die Rechtsstaatlichkeit eine größere Rolle spielen. Andere Bereiche sind positiv zu bewer- ten, etwa, dass der Sozialstaat endlich nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt wird, der von der AK entwickelte Chan- cenindex im Bildungsbereich erstmals in Ansätzen umgesetzt werden soll, oder dass mehr Geld für Frauenpolitik zur Verfügung gestellt wird. Beim wichtigsten Zukunftsthema, dem Klimaschutz, gibt es sehr hohe Ambitionen. Ein mit Hoffnun- gen verbundener Punkt ist auch, dass der Dialog mit allen Sozialpartnern wiederbelebt werden soll. Wie sehr dies tatsächlich gelebt wird, ist die entschei- dende Frage. In vielen Punkten wird es auf die konkrete Umsetzung ankommen – und darauf, wie die Vorhaben finanziert werden. Antworten darauf werden die ersten Budgets der Regierung geben. Dabei muss verhindert werden, dass die Arbeitnehmer*innen die nötigen Zukunfts- investitionen wieder selber zahlen und bei den Maßnahmen auf soziale Gerech- tigkeit vergessen wird. GESAMTEINSCHÄTZUNG KEIN PROGRAMM FÜR SOZIALE GERECHTIGKEIT vestitionsbereiche: Öffentlicher Verkehr, thermische Sanierung, Ausbau erneuerbarer Ener- gieträger. Diese Investitionen müssen freilich mit zusätzlichen Mitteln finanziert werden, die bereits im kommenden Budget vorgesehen werden müssten. Positiv zu bewerten sind die Be- kenntnisse zu einer Reform des EU-weiten Emissionshandels (Mindestpreis, Grenzausgleich). Dass arbeitsmarktpolitische In- strumente im Zuge einer Just Transition, eines sozial gerech- ten Strukturwandels, angedacht sind, klingt gut. Sie müssen aber rasch konkretisiert und ausrei- chend dotiert werden. Energiearmut kein Thema Im Bereich der Energieeffi- zienz sollen die Effizienzmaß- nahmen strenger bewertet werden. Die Pläne zum Ausbau der erneuerbaren Energie sehen ein neues Förderregime vor. Beim geplanten Energieeffizi- enzgesetz, beim Erneuerbaren- Ausbau-Gesetz und auch beim Netzausbau fehlt noch die drin- gend nötige Betrachtung der Verteilungswirkungen. Beson- ders auffällig ist, dass Energiear- mut, und damit der Kampf gegen sie, im Regierungsprogramm nicht vorkommen. Das ist aus Arbeitnehmer*innensicht ein gravierender Mangel, der bereits im nationalen Energie- und Kli- maplan (NEKP) kritisiert wurde. Leider fehlen im Regierungs- programm auch konkrete Pläne und Initiativen zur Verbesserung konsument*innenrechtlicher Schutznormen im Energie- bereich (insbesondere bei der Wärmeversorgung oder der E- Mobilität). Grüner Deckmantel Kritisch zu sehen sind je- denfalls die Erleichterungen für sogenannte „grüne Anlagen“ Zum Weiterlesen: Der AK Gerechtigkeits-Check des Regierungspro- gramms ist hier abrufbar: https://www.arbeiterkam- mer.at/gerechtigkeitscheck ª
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