WUM 01/2020

www.ak-umwelt.at Seite 30 Wirtschaft & Umwelt 1/2020 im Finanzsektor (KESt-Befreiung für ökologische/ethische Investitionen, „Green Supporting Factor“ auf europäischer Ebene). Ebenso problematisch sind die Bestre- bungen der Finanzialisierung und Deregu- lierung der Finanz- und Kapitalmärkte unter einem „grünen Deckmantel“. Dadurch be- steht die Gefahr, dass das eigentlich positive Ziel der Unterstützung ethisch-ökologischer Veranlagungswünsche und eine stärkere Ausrichtung von Unternehmen an den Zielen der nachhaltigen Entwicklung (SDG) konter- kariert wird. Verkehr dekarbonisieren Im Kapitel „Verkehr und Infrastruktur“ setzt sich die Regierung das Ziel, den Ver- kehrssektor hin zu umweltfreundlicher Mo- bilität für alle zu entwickeln. Soziale Aspekte werden am Rande angesprochen, spielen aber keine wesentliche Rolle, obwohl sich vor allem im Straßengüterverkehr und in der Luftfahrt ökologische Ziele nur erreichen las- sen, wenn Löhne und Arbeitsbedingungen massiv verbessert werden. Ein Schwerpunkt des Programms ist die Förderung des öffentlichen Verkehrs, was auch den Forderungen der AK entspricht. Gute Ansätze sind zur Förderung von Rad- verkehr und Zufußgehen enthalten. Offen ist, ob das Herzstück des Programms mit zwei Milliarden Euro für den Nah- und Regional- verkehr mit neuen Mitteln ausgestattet wird und über welchen Zeitraum sie investiert werden sollen. Ihre Finanzierung und die des 1-2-3-Tickets, das leistbare öffentliche Mobilität für alle sicherstellen soll, sind völlig ungeklärt. Die kommenden Verhandlungen werden zeigen, ob sich der Bund mit den Ländern, die dabei eine aktive Rolle spielen müssen, auf einen gemeinsamen Weg eini- gen kann. Das Programm enthält erfreulicher- weise ein klares Bekenntnis zur ÖBB und zum Schienenverkehr als Rückgrat des öf- fentlichen Verkehrs, sowie zum intensiven Ausbau der Schieneninfrastruktur. Sehr problematisch sind jedoch die Aussagen zur Direktvergabe, die nur mehr unter der Voraussetzung der „Marktkonformität der Vergabebedingungen“ erfolgen soll. Durch die angedachte gemeinsame Planung von Bahn- und Busverkehrsausschreibungen würde der Druck auf die Löhne und Arbeits- bedingungen der Beschäftigten massiv stei- gen. Die Maßnahmen zur Eindämmung des Schwerverkehrs und zur Verlagerung auf die Schiene sind eher deklaratorisch, das gilt auch für die Kostenwahrheit im Straßengü- terverkehr (Maut, Bekämpfung des Sozi- aldumpings). Ebenso ist die Erhöhung der Flugticketabgabe zwar positiv, aber wenig ambitioniert. Wirksame Maßnahmen gegen das Lohn- und Sozialdumping, vor allem durch die boomenden Billigairlines fehlen, wären aber immens wichtig, um die ökolo- gisch und sozial untragbare Entwicklung in diesem Sektor einzudämmen. Umweltpolitik und Kompetenzverteilung Das Kapitel Umwelt- und Naturschutz widmet sich den aktuellen Herausforde- rungen: Flächenversiegelung, Artensterben, Lärmbelastung, Bodenerosion und Luftver- schmutzung. Es setzt Akzente imBereich der Kreislaufwirtschaft und der Umweltverfahren. Diese entsprechen weitgehend den Forderungen der AK. Ähnliches gilt auch für Luftreinhaltung, Boden- und Wasser- schutz. Weniger ambitioniert ist das Pro- gramm jedoch dort, wo es um notwendige Kompetenzbereinigungen und verfassungs- rechtliche Klärungen geht, um endlich bei Querschnittsthemen wie Klimaschutz oder Umweltschutz eine Planungskoordination zwischen dem Bund und den Ländern auf den Weg zu bringen. Kompetenzverschie- bungen werden nur ausnahmsweise, und zwar konkret zumKlimaschutz und zur Biodi- versität, vage „als zu prüfen“ angesprochen. Die Abschaffung der Teilkonzentration im 3. Abschnitt des UVP-G (Bundesstra- ßen und Eisenbahnen) und das Vorhaben, dass Amtssachverständige auch in anderen Bundesländern tätig sein sollen, sind wich- tige Ansätze. Dies könnte tatsächlich eine Beschleunigung der großen Infrastrukturver- fahren ermöglichen, sollte aber unbedingt von einem Quantensprung im Vollzug des Landesnaturschutzrechts begleitet werden. Gedämpft wird dieses positive Bild jedoch davon, dass im Kapitel „Entbürokratisierung und Modernisierung der Verwaltung“ immer noch das Anliegen „Gold-Plating reduzieren“ genannt ist, unter anderem mit der Absicht, „möglichst viele nicht durch EU-Vorgaben notwendige Betriebsbeauftragte freiwillig zu stellen“. Bedauerlich ist auch, dass das Thema „Freier Zugang zur Natur“ im Regie- rungsprogramm nicht enthalten ist. ¨ Politik Unser Standpunkt IM STRASSENGÜTERVERKEHR UND IN DER LUFTFAHRT LASSEN SICH KLIMAZIELE NUR ERREICHEN, WENN LÖHNE UND ARBEITSBEDINGUNGEN MASSIV VERBESSERT WERDEN. Ökologische und soziale Ziele gemeinsam erreichen ¢ Finanzierung für Klima-, Verkehrs- und Umweltpolitik sichern ¢ Interessen der Arbeitnehmer*innen einbeziehen ¢ Ausstieg aus den fossilen Energieträgern sozial gerecht gestalten ¢ Vermögensbesteuerung für Zukunftsinvestitionen ª

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