Wirtschaft und Umwelt 04/2018

einfach Kosten in den Gesundheitssek- tor. Es stellt sich auch die Frage, ob ein so unterschiedlicher Schutz vor Schie- nenlärm im Vergleich mit dem Straßen- lärm rechtlich zulässig ist. Angesichts von 16 dB über dem gesundheitlichen Richtwert der WHO (Tabelle 1) ist das jedenfalls humanmedizinisch schwer zu akzeptieren. Aber auch im Straßenverkehr ist ein Bedarf für adäquate Lärmminderungs- maßnahmen an der Quelle gegeben. Gerade an hochrangigen Bundesstra- ßen durch Ortschaften gibt es zu viele Personen mit hohen Nachtbelastun- gen, weil Landesadministrationen billi- ge und wirksame Maßnahmen (Tempo 30) nur selten genehmigen und moder- ner, lärmarmer Asphalt nicht häufiger zum Einsatz gebracht wird. Österreich hinkt auch hier gegenüber der Schweiz mit ähnlichen Landschaftsprofilen enorm nach. Lärmaktionspläne auf Ortsebene würden eine gute Grundlage für eine systematische und rationale Präventi- on von lärminduzierten Gesundheits- störungen darstellen. Die Einsicht, die Umsetzung solcher Pläne nicht nur für Ballungsräume anzudenken, sondern auch ländliche Regionen und die alpi- nen Täler mit starkem Durchzugsver- kehr zu entlasten, fehlt noch immer. Die Grundlagen waren vorhanden. ¨ Bei der Belästigung durch Schienenverkehr kam es zu einer ausgeprägten Verschiebung der neuen WHO-Standardkurve im Vergleich zur EU-Stan- dardkurve. www.arbeiterkammer.at Wirtschaft & Umwelt 4/2018 Seite 21 Was hat die Gemeinde dazu schon unternommen? Wir haben durch einen anerkannten Lärmsachverständigen alle notwen- digen Untersuchungen durchführen lassen, die zwar von der ASFINAG anerkannt werden, aber bislang trotzdem nichts unternommen wur- de, um das Problem zu beseitigen. Wir führen laufende, bisher ergeb- nislose Gespräche mit der ASFI- NAG, haben unser Recht parallel dazu eingeklagt und sind in Erwar- tung eines Entscheides des Verwal- tungsgerichtshofes. Um uns Gehör zu verschaffen, haben wir uns auch zu Autobahn-Demos entschlossen. Seither habe ich den Eindruck, dass man erkannt hat, dass wir es ernst meinen. Sie fordern Tempo 80 statt 130? Das wäre die Lösung für viele Probleme auf diesem Autobahnab- schnitt. Für die am meisten betrof- fenen ca. 2.000 Anrainer würde es bedeuten, dass wir die Gesund- heitsbelastung deutlich minimieren. Es ist für mich erschütternd, dass die Tatsache, dass im Großraum Wiener Neudorf enorm viele Kinder und Erwachsene an Atemwegser- krankungen leiden, völlig egal ist. Permanente Lärmeinwirkung führt anerkannterweise auch zu erhöhtem Schlaganfall- und Herzinfarktrisi- ko. Auch das ist den zuständigen Behörden völlig „wurscht“. Tempo 80, auch das haben wir untersuchen lassen, würde die de facto tägliche Stausituation bereinigen. Das wäre ein gewaltiger Vorteil sowohl für die Autofahrer selbst als auch für die Wirtschaft. Es ist zwar schwer zu vermitteln, aber mit Tempo 80 kommt man auf dem betreffenden Autobahnabschnitt in der Regel schneller voran als mit Tempo 130, weil Stausituationen wegfallen. Auch würde diese Temporeduktion das Autofahren sicherer machen. Zwei bis drei Mal in der Woche kommt es zu Unfällen, die vermeid- bar wären. Was bieten Asfinag und BMVIT? Das BMVIT sieht sich eigenarti- gerweise als nicht zuständig an, obwohl durch die StVO die Zustän- digkeit eindeutig geregelt ist. Nach vielen fruchtlosen Gesprächen ist in den letzten Wochen Bewegung in die Diskussion mit der ASFINAG gekommen und wir arbeiten nun ge- meinsam an einem wirkungsvollen Lärmschutz, der uns jahrzehntelang verwehrt wurde. Wie geht's in Zukunft weiter? Ich gebe der ASFINAG jetzt bis Ende März 2019 Zeit, gemeinsam mit uns ein wirkungsvolles Lärm- schutzkonzept zu erarbeiten, das umgehend umgesetzt werden muss. Parallel dazu erhoffe ich mir in Bälde eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes. Für die Schadstoffsituation ist Tempo 80 unerlässlich. Nachdem sich Schad- stoffe bis zu 10 km entlang von Autobahnen ausbreiten, ist es eine Verpflichtung der Region für unsere Gesundheit weiter zu kämpfen. Diesbezüglich sind alleine in unse- rem Bezirk über 50.000 Menschen direkt betroffen. INTERVIEW MIT HERBERT JANSCHKA, BÜRGERMEISTER VON WIENER NEUDORF AUTOBAHNLÄRM: GRENZWERTE EINHALTEN! Die Marktgemeinde Wiener Neudorf kämpft gegen die seit Jahren bestehen- de Überschreitung der Lärm- und Schadstoffgrenzwerte entlang eines der mit täglich durchschnittlich 190.000 Fahrzeugen meistbelasteten Autobahn- abschnitte Österreichs. Die Gesundheitsbelastung der Anrainer prallte lange Zeit am Desinteresse von ASFINAG und Verkehrsministerium ab. Erst zwei Demonstrationen brachten Bewegung in die Sache. *Herbert Janschka ist ÖVP-Bürgermeister der Marktgemeinde Wiener Neudorf und setzt sich vehement für den Lärmschutz in seiner Gemeinde ein. FOTO: ROMAN JUGL (1)

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