Seite 10 - AK_Stadt_2_2012

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AK Stadt · Seite 10
Thema
E
in hohes Maß an Ungleichgewicht. Viele
MigrantInnen können ihre in der Heimat
erworbenen Bildungs- oder Ausbildungsab-
schlüsse in Österreich nicht adäquat verwer-
ten. Doch insgesamt drei Viertel der zuge-
wanderten Personen haben ihren Bildungs-
abschluss außerhalb Österreichs absolviert.
Die Studie „Beschäftigungssituation von
Personen mit Migrationshintergrund in
Wien“ – von der L&R Sozialforschung im
Auftrag der AK Wien durchgeführt - zeigt
auf, dass bloß 17 Prozent dieser MigrantIn-
nen bislang umeine Nostrifikation angesucht
haben. Jeder dritte Mensch mit Migrations-
hintergrund ist für seinen ausgeübten Beruf
überqualifiziert. Selbst hochqualifizierten
Menschen wird in Österreich die Verwertung
ihrer Kompetenzen erschwert. Konsequenz:
Jede/r vierte MigrantIn mit einem universitä-
ren Abschluss arbeitet in einer Hilfs- oder
angelernten Tätigkeit! Freilich hinterlässt
dieser Zustand bei vielen Betroffenen den
Eindruck, nicht willkommen zu sein. Zudem
ist die Arbeitslosigkeit von Drittstaatsange-
hörigen in der EU weit höher als die von
Nicht-MigrantInnen.
Informelles Wissen zählt nicht
Die berufliche Qualifikation besteht nicht
allein aus formalen Abschlüssen. Im Laufe
des Berufslebens kann eine hohe fachspezi-
fische Qualifikation erworben werden, auch
wenn die formal erworbene Qualifikation auf
MIGRATION UND INTEGRATION
Ignoranz frisst Bildung
und schadet allen
Im Ausland erworbene Bildungsabschlüsse sind auf dem österreichischen
Arbeitsmarkt selten verwertbar. Die bittere Konsequenz sind viele
MigrantInnen, die für ihre Jobs überqualifiziert sind.
Von Mevlüt Kücükyasar
einem niedrigen Ausbildungsabschluss
basiert. Das so genannte „informelle Wissen“
vieler Beschäftigter – einerlei ob Österreiche-
rInnen oder MigrantInnen – wird bei uns oft-
mals nicht anerkannt. Nur in äußerst seltenen
Fällen wird es bei einem formalen Berufsab-
schluss angerechnet. Die AK fordert, dass es
mittelfristig neben der reinen Zeugnisbewer-
tung auch ein Verfahren gibt, das informelle
und non-formale Kompetenzen berücksich-
tigt. Damit sollen auch die praktischen
Fähigkeiten, das Erfahrungswissen und
absolvierte Fortbildungen überprüft und
gegebenenfalls anerkannt werden. Wichtig
ist die längst fällige Entbürokratisierung der
Nostrifikationen und Abschlüsse, wofür sich
die AK bereits seit langem stark macht.
à
Jede/r vierte Mig-
rantIn mit einem uni-
versitären Abschluss
arbeitet in einer
Hilfs- oder angelern-
ten Tätigkeit!
Wissensdurst
Wussten Sie, dass 71 Prozent
aller deutschen MigrantInnen
innerhalb der letzten fünf Jahre
nach Wien gekommen sind?
Dagegen befinden sich
45 Prozent der MigrantInnen aus
Ex-Jugoslawien (inklusive Alba-
ner) schon zwischen 11 und 20
Jahren bei uns. Das Hauptmotiv
der Deutschen ist ein Antritt zu
einer festen Arbeitsstelle (29 Pro-
zent) oder die Suche nach einer
Arbeit in Wien (22 Prozent). Bei
den Ex-Jugoslawen ist die Fami-
lienzusammenführung und die
Flucht (vor 20 Jahren entflammte
der Jugoslawien-Krieg) das
Hauptmotiv nach Österreich zu
kommen. Viele der Betroffenen
waren bei der Flucht noch Kinder.
AutorIn:
Mevlüt Kücükyasar
studierte Politikwissen-
schaft und Soziologie
und arbeitet für die
­Bildungsabteilung der
AK Wien.
Studie
Service
Die Langfassung der Studie „Beschäftigungssi-
tuation von Personen mit Migrationshintergrund
in Wien“ im Auftrag der AK Wien kann unter
wien.arbeiterkammer.at/bilder/d164/Studie_Mig-
rantInnen_2012.pdf heruntergeladen werden.
813 Seiten
Arbeiterkammer, fotolia (3)