Seite 10 - AK_Stadt_4_2012

Basic HTML-Version

wien.arbeiterkammer.at/meinestadt
AK Stadt · Seite 10
„B
esser, schneller, billiger!“ lautete
die gängige Parole der Liberalisie-
rungswelle, die Europa in den 1980er- und
1990er- Jahren erfasste. Unterstützt durch
EU-Richtlinien zur Liberalisierung, wur-
den in den folgenden Jahren massenhaft
öffentliche Dienstleistungen in die Hände
privater Anbieter übergeben. Ein scheinba-
rer Glücksfall für alle Beteiligten: Durch den
Verkauf würden nicht bloß Kommunen ihre
leeren Kassen füllen, sondern die Bevölke-
rung durch mehr Wettbewerb von sinken-
den Preisen profitieren und private Inves-
toren neue Aufgabenfelder erschließen. Ein
Trugschluss.
Keine Erlöse aus profitablen Bereichen
Tatsächlich zeigten sich schon bald die
Kehrseiten dieser Ausverkaufspolitik: Die
Aussicht auf ein gestopftes Budgetloch
führte in vielen Fällen zu übereilten – nur
auf den ersten Blick lukrativen – Lösungen.
Vielen Kommunen blieben zwar die Grund-
versorgungsaufgaben über, nun allerdings
ohne die Erlöse aus profitablen Dienstleis-
tungsbereichen. Auch für die KundInnen
brachte die Privatisierung keine erhoffte
Kostenreduktion – stattdessen sorgten pri-
vate Monopole häufig für Preiserhöhungen
und Qualitätseinbußen. Folglich beurteilte
die Bevölkerung anstehende Privatisie-
rungen immer skeptischer und bildete
vermehrt Bürgerinitiativen. Selbst den po-
Besinnung auf kommunale Werte
Eiliger Rückweg Richtung
Selbstversorgung
Statt für bessere Leistungen und Preise, sorgten Monopole für Qualitätsein-
bußen und Verteuerung. Nach der Privatisierungswelle setzen immer mehr
Städte auf Rekommunalisierung.
Von Barbara Hauenschild
litischen EntscheidungsträgerInnen wurde
bewusst, wie stark sich der Handlungsspiel-
raum der Kommunen eingeschränkt hatte.
Möglichkeit zur Rekommunalisierung
In Deutschland sind ein Rückgang weiterer
Privatisierungen und erste Anzeichen einer
gegenläufigen Bewegung sichtbar: Immer
häufiger kommt es zur Rekommunalisierung
zuvor privatisierter Dienstleistungen. Dafür
gibt es zahlreiche Beispiele in etlichen Be-
reichen der Daseinsvorsorge: Insbesondere
bei der Energieversorgung, wo erst weit-
reichend privatisiert wurde, hat sich durch
auslaufende Konzessionsverträge die Mög-
lichkeit zur Rekommunalisierung geboten
– die Kommunen nutzten sie. Hamburg hat
mit der Gründung des kommunalen Unter-
nehmens „Hamburg Energie“ die Stromver­
sorgung wieder in die eigene Hand genom-
men. Erst wenige Jahre zuvor waren im
Zuge einer umfangreichen Privatisierungs-
welle die Anteile am hamburgischen
à
Der Trugschluss:
Durch Privatisierung
werden die Dienst-
leistungen besser
und die Kassen der
Kommunen gefüllt.
Zusammengefasst
Seit Beginn der 1990er-Jahre
werden immer mehr öffentliche
Dienstleistungen in die Hände
privater Anbieter übergeben.
Viele Kommunen müssen zwar
nach wie vor die Grundversor-
gungsaufgaben leisten, jedoch
ohne die Erlöse aus den profi-
tablen Dienstleistungen. Private
Monopole sorgen zudem für
Qualitätseinbußen und sogar
höhere Verbraucherkosten. Bei-
spiele zeigen, dass Rekommu-
nalisierung der beste Weg ist.
MMag
a
Barbara
­Hauenschild
ist
Soziologin, Politikwis-
senschafterin und seit
2006 wissenschaftliche
Mitarbeiterin der Österrei-
chischen Gesellschaft für
Politikberatung und Poli-
tikentwicklung (ÖGPP).
Service
Barbara Hauenschild ist
gemeinsam mit Susanne Halmer Autorin
der Studie „(Re-)Kommunalisierung
­öffentlicher Dienst­leistungen in der EU“. Der
Band kann unter office@politikberatung.or.at
bestellt werden.
Überblick
Thema
Kommunaler
Ausverkauf
Hamburg Energie (1), Alfred Röhl (1); Fotolia/Bettina Sampl, Shootandgo (1)