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AK Stadt · Seite 4
G
esinnungswandel. Die 1960er- und frü-
hen 1970er-Jahre waren international
durch die Expansion staatlicher Tätigkeit
und einem Ausbau des modernen Wohl-
fahrtsstaates gekennzeichnet. Maßnahmen,
die auch zum Anwachsen öffentlicher Auf-
gaben der Kommunen führten. Als Gegen-
reaktion setzten in den 1980er-Jahren vor
allem konservative Kräfte auf die angelsäch-
sisch inspirierte NPM-Doktrin (New Public
Management): Sie besagt, dass sich staat-
liche und kommunale Verwaltungen auf ihre
Kernaufgaben begrenzen sollten. In diesem
Sinn sollte schließlich die Expansion öffent-
licher Aufgaben und Ausgaben durch Pri-
vatisierung, Auslagerung und Delegierung
gestoppt werden.
Weniger Staat mehr Privat
Angetrieben durch ökonomische Krisen
wurden die staatlichen Gestaltungsspiel-
räume vor allem im angelsächsischen und
angloamerikanischen Raum eingeschränkt.
Entscheidend war hierbei auch eine politi-
sche Strategie, wie sie besonders neokon-
servative Strömungen des Thatcherism in
Großbritannien oder der Reaganomics in
den USA verfolgten.
In Europa wiederum schuf die auf Marktöff-
nung und Wettbewerbsfreiheit ausgerichtete
Politik der EU eine Vielzahl von Privatisie-
rungs- und Liberalisierungsmaßnahmen.
Die Wettbewerbspolitik der EU zielte darauf
hin, den Staat auf seine Kernfunktionen zu
minimieren und im Wesentlichen auf eine
Gewährleistungsfunktion zu beschränken.
Auf der Gegenseite sollte die Erbringung
von Dienstleistungen in der Regel externen
Akteuren – meist privaten Anbietern – vor-
behalten sein. Credo des kommunalen Aus-
verkaufs: Private können es besser, schnel-
ler, billiger und leisten effizientere Arbeit.
Begleitend wurden kommunale Leistungen
zu Tode kritisiert, fehlende Kundenorientie-
rung genau wie partei- und gewerkschafts-
Kommunaler Ausverkauf
Kommunaler Ausverkauf –
die Krise der Privatisierung
Was als Erfolgsstrategie in vielen Gemeinden Einzug hielt und sich rasant
verbreitete, hat viele Probleme beschert. Privatisierung macht häufig die
Kommunen ärmer und die Dienstleistungen schlechter.
Von Peter Prenner
Thema
Mag Peter ­Prenner
ist
Volkswirt und
­Soziologe. Er arbei-
tet in der ­Abteilung
­Kommunalpolitik der
AK Wien.
politische „Gefangennahme“ öffentlicher
Unternehmen beklagt. Begriffe wie Staats-
versagen, Ineffizienz oder Freunderlwirt-
schaft fanden in diesem Zusammenhang
gerne und oft Verwendung. Für manche
Gemeinden war die Privatisierung eine will-
kommene Gelegenheit eine willkommene
Gelengeheit die leeren Kassen aufzufüllen.
International tätige Großkonzerne – etwa die
französischen Firmen GDF Suez SA und Ve-
olia Environnement S. A. oder der deutsche
RWE-Konzern – sind daraufhin angetreten,
um öffentliches Eigentum im großen Stil
zu privatisieren. Einverleibung, um – ver-
meintlich – alles viel besser zu handhaben.
Mittlerweile ist allerorts deutliche Ernüch-
terung eingetreten. In Paris und Berlin wird
die Wasserversorgung zähneknirschend
rekommunalisiert. Höhere Preise, unterkapi-
talisierte Infrastruktur und die damit einher-
gehende, qualitativ schlechtere Versorgung
haben den Ausschlag für die Rückbesin-
nung gegeben. Wenig positive Erfahrungen
sind auch im Zusammenhang mit der
à
Zusammengefasst
Erfahrungen mit Privatisierungen
zeigen, Konzerne streben vor
allem die Gewinn­maximierung an.
Werden die Aufgaben komple-
xer, wenn sozialer Ausgleich oder
Erhalt der Infrastruktur Ziele sind,
dann können öffentliche Unter-
nehmen besser agieren. Viele
Kommunen wollen nun die Priva-
tisierung kommunaler Dienstleis-
tungen rückgängig machen, da
sie stark an Einfluss und Gestal-
tungsmöglichkeiten verloren
haben.
Fotos: shootandgo/ (1) beigestellt (2), Lisi Specht (1)