Seite 5 - AK_Stadt_4_2012

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AK Stadt · Seite 5
wien.arbeiterkammer.at/meinestadt
Ruf nach einer großangelegten Rekommu-
nalisierung laut geworden.
Die AK Fachtagung „Kommunaler Ausver-
kauf – Von der Krise der Privatisierung“,
veranstaltet von der Abteilung Kommu-
nalpolitik der AK Wien, bildete eine Be-
standsaufnahme des aktuellen Themas. Die
Auswirkungen von Liberalisierungs- und
Privatisierungsmaßnahmen wurden in den
diversen Bereichen der kommunalen Leis-
tungen (Wohnen, öffentlicher Nahverkehr,
Wasser-, Energie- und Gesundheitsversor-
gung ) kritisch analysiert. Die spannenden
Beiträge der TeilnehmerInnen sind in einem
Tagungsband gesammelt, der ab Jänner
unter stadt@akwien.at bestellt werden
kann. Autoren: Renate Brauner (Stadträtin
für Finanzen und Wirtschaftspolitik), Hei-
drun Maier-de Kruijff (Verband kommunaler
Unternehmen Österreichs), Andrej Holm
(Sozialwissenschafter an der Humboldt-
Universität zu Berlin), Sylvia Leodolter (AK
Wien), Jens Libbe (Deutsches Institut für
à
Privatisierung von vormals in kommunaler
Hand befindlichen Wohnungen, mit privati-
sierten Krankenhäusern oder liberalisierten
Verkehrs- und Energienetzen bekannt.
Ruf nach Rekommunalisierung
Die Fragen, in welcher Form Leistungen
der so genannten Daseinsvorsorge er-
bracht werden sollen, werden nun wieder
kontrovers und emotional diskutiert. Etwa:
Wer entsorgt den Müll besser und billiger?
Wie kann eine möglichst effiziente Gesund-
heitsversorgung sichergestellt werden? Wer
bringt mich schneller, billiger und komfortab-
ler an einen Ort meiner Wahl? Die Antworten
auf diese Fragen fallen freilich, je nach Sicht-
weise, unterschiedlich aus. Spätestens seit
der internationalen Finanzmarktkrise, die der
Weltöffentlichkeit die negativen Folgewirkun-
gen eines deregulierten Staatswesens sicht-
bar vor Augen führte, haben zunehmend
Liberalisierungs- und Privatisierungskritiker
Gehör gefunden. In vielen Bereichen ist der
In Berlin „kurbelte“ der Verkauf kommunaler Wohnungen den Wohnungsmarkt an. Nun,
einige Jahre später, sind leistbare Wohnungen im innerstädtischen Bereich Mangelware.
Kommentar
Öffentliche
Hand mit Biss
Innerer Ruhepol.
Zu viele
­Liberalisierungs- und Pri-
vatisierungsvorhaben sind
Fehlentscheidungen. Ohne
höhere Effizienz, staatliche Ein-
sparungen und zu Lasten der
Beschäftigten. Dennoch hält die
europäische Politik unverdros-
sen an der Marktöffnung fest.
Mit Wortkreationen wie „Dienst-
leistungskonzessionsrichtlinie“
und Ausschreibungszwängen
treibt die EU-Kommission ihr
Wirken gegen kommunale Ver-
sorger voran. Die unreflektierte
Liberalisierungsagenda, die
nicht nur öffentliche Dienstleis-
tungen erfasst hat, muss ein
Ende finden – die überzogene
ideologische „Marktidentifika-
tion“ beschwört das Scheitern
des europäischen Projekts
herauf. Wo Markt, dort EU und
Friede!? Die Binnenmarktpolitik
folgt derzeit den Interessen der
großen, grenzüberschreitend
operierenden Privatunterneh-
men und den Bedürfnissen der
KMUs, wenn sie zu Lasten von
ArbeitnehmerInnen und Ver-
braucherInnen gehen – deren
Interessen werden am Brüs-
seler Parkett ignoriert. Europa
braucht ein grundlegend neues
Binnenmarktmodell, das die
Nachfrageseite von rund 500
Millionen EinwohnerInnen in
den Mittelpunkt des Handelns
stellt. Im Vordergrund müssen
funktionierende Leistungen für
die Menschen stehen, nicht die
Liberalisierung der öffentlichen
Leistungen. Für die Deckung
wichtiger Grundbedürfnisse
ist die öffentliche Hand verant-
wortlich – diese Basis muss
außer Streit gestellt und gestärkt
werden.
Mag Valentin
Wedl
ist Leiter
der Abteilung ­
EU und
Internationales
der AK Wien.
Studie der HypoVereinsbank und Uni Leipzig:
Gute Gründe für die Rekommunalisierung
Wahrung des kommunalen Einflusses (30,6%)
Fehlende Zielkongruenz zwischen öffentlicher und privater Seite (13,9%)
Geringere Einnahmen im Zeitverlauf (11,1%)
Zu hohe Kosten (16,7%)
Nicht zufriedenstellende Leistungserbringung (8,3%)
Fehlende Kontrolle (19,4%)
Nicht zuletzt hat auch die Wirt-
schaftskrise dazu beigetragen, dass
die Menschen mehr Sicherheit in der
kommunalen ­Daseinsvorsorge sehen.
Im Fall einer wirtschaftlichen Tätigkeit
fallen die ­Gewinne eher den Men-
schen zu und nicht einem Konzern.
Dies bestätigt auch eine Umfrage
unter deutschen ­Kommunen mit über
20.000 EinwohnerInnen (2011), die in
der Vergangenheit öffentliche Unter-
nehmen (teil)privatisiert haben.
HypoVereinsbank. Renaissance der Kommunalwirtschaft – Rekommunalisierung öffentlicher Dienstleistungen