Seite 8 - AK_Stadt_4_2012

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AK Stadt · Seite 8
Gesammelte Information
Wohnungsmarkt in Berlin. Wenn eine
Wohnung in Berlin zu teuer wurde – etwa
wegen einer Sanierung – hatten Menschen
mit einem mittleren Einkommen über viele
Jahre die Möglichkeit, einfach in den nächs-
ten Kiez weiter zu ziehen. Es war keine
große Kunst, eine Wohnung zu ähnlichen
Konditionen anzumieten. Diese Zeiten sind
Geschichte. Denn als Ergebnis der massiven
Privatisierung von kommunalen Wohnungen,
hohem Zuzug und geringer Bautätigkeit sind
die Mieten seit fünf Jahren drastisch gestie-
gen – der Preisanstieg betrifft alle Segmente
des Marktes. Innerhalb des Berliner S-Bahn
Rings ist eine Wohnung auch für die Mittel-
schicht kaum noch leistbar.
Kein Erfolg bei der Bahnliberalisierung
Die Liberalisierung sorgt allerdings auch für
eine Ausdünnung der Infrastruktur. Ein gutes
Beispiel für die Vernachlässigung der öffentli-
chen Infrastruktur bietet das britische Eisen-
bahn-Netz. Aufgrund beschädigter Gleise
ereignete sich im Oktober 2000 ein tödlicher
Unfall bei Hatfield. Obwohl die private Infra-
strukturgesellschaft Railtrack vor dem Unfall
von den Schäden wusste, ließ sie dieselben
nicht reparieren. Mit ein Grund, weshalb
massive Kritik an dieser Form der marktra-
dikalen Privatisierung aufkam. Rückblickend
gilt die Privatisierung der britischen Bahn als
Geschichte von Misserfolgen und sorgt wei-
terhin für massive Probleme. Wenige Oligo-
pole teilen sich den Markt, die Gewinne wer-
den zu Lasten der Sicherheit erwirtschaftet.
Daneben verfällt die Infrastruktur, die Bahn-
tickets in Großbritannien sind die teuersten
Europas und die Anschlüsse katastrophal.
Die Kosten für einen Personenkilometer sind
in Großbritannien fast doppelt so hoch wie
in der Schweiz, die als Vorreiterin der staat-
lichen und gut ausgebauten Bahn gilt. Doch
auch im restlichen Europa ist die Liberalisie-
rung der Bahnnetze keine Erfolgsgeschichte.
Bis zu zwei Drittel des Personals wurde
abgebaut, Gehaltssprünge, Zulagen und
Prämien reduziert. Die Arbeit wird intensiver,
der Stress größer, die Kollektivverträge sind
schlechter oder gar nicht vorhanden und für
neue Arbeitskräfte beträgt die Lohnreduktion
bis zu 25 Prozent. Ebenso zeigen sich Ten-
denzen zum Lohndumping, die Etablierung
von Niedriglohnsektoren droht.
In Summe muss festgestellt werden: Oft
wird bloß aus reiner Kurzsichtigkeit privati-
siert. Die AK hat in einer neuen Analyse be-
rechnet, dass dem Staat durch unbedachte
Privatisierungen 470 Millionen Euro jährlich
entgehen würden. Wenn mit dem Verkauf
von Staatsanteilen ein Teil der Staatsschul-
den getilgt wird, senkt das zwar die Zinsbe-
lastung für den öffentlichen Haushalt. Doch
finanziell lohnt sich eine Privatisierung für
die öffentlichen Haushalte nur dann, wenn
für das frei werdende Kapital eine rentablere
neue Verwendungsform gefunden wird.
à
Wien schneidet beim
­öffentlichen Service sehr
gut ab. So kostet in Wien ein
­Kubikmeter Wasser 1,73 Euro,
während der Durchschnitts-
preis in der Europäischen
Union bei 3,44 Euro liegt.
à
shootandgo (1), Wiki Commons/stephan-roehl (1), Wien Strom (1), fotolia/jirapong (1)
Privatisierung in der Krise
Der Band Stadtpunkte Num-
mer 6 steht unter dem Titel
„Kommunaler Ausverkauf
-Von der Krise der Privatisie-
rung“. Er untersucht kritisch
verschiedene Bereiche der Privatisierung
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Kommunaler ausverKauf –
von der Krise der Privatisierung
6
Peter Prenner (Hg)
Thema
Kommunaler
Ausverkauf