AK Stadt Nr. 2 / 2014 - page 11

die Wirtschaft an und tragen damit zu einem
Beschäftigungswachstum bei. Doch die
strikten, politisch motivierten Sparvorgaben
von Bund und EU (Stichwort „Inneröster-
reichischer Stabilitätspakt“) schränken die
Möglichkeiten für kommunale Investitionen
ein – selbst wenn aufgrund des enormen
Bevölkerungswachstums ein dringender
Bedarf besteht.
Dabei stünde Wien finanziell relativ gut da:
die Hauptstadt hat derzeit eine Pro-Kopf-
Verschuldung von etwa 2.550 Euro. Im Ver-
gleich mit Berlin, wo jeder Bürger bzw. jede
Bürgerin mit rund 17.600 Euro verschuldet
ist, hätte Wien also noch deutliche finanzi-
elle Spielräume. Markus Marterbauer, Leiter
der Abteilung Wirtschaftswissenschaft der
AK Wien, macht klar, dass gerade jetzt, wo
die Kreditzinsen im Keller sind, eine Geld-
aufnahme vergleichsweise günstig ist. Es
wäre daher für Wien auch ökonomisch sinn-
voll, massiv in die öffentliche Infrastruktur zu
investieren.
Das sagt die AK
Aus Sicht der AK ist es wichtig, deutlich
mehr geförderten Wohnraum zu schaffen,
wirksame Mietobergrenzen für den privaten
Wohnsektor einzuführen, Investitionen in den
öffentlichen Verkehr – bei denen die Schnell-
bahn auch eine kostengünstige innerstäd-
tische Alternative sein kann – und stärkere
Förderungen sozial benachteiligter Kinder
(auch über das Schulsystem) zu tätigen.
Durch die damit verbundenen, öffentlichen
Investitionen werden neue Beschäftigungs-
möglichkeiten geschaffen. Dazu braucht es
aber eine Finanzierung – das geht nur über
eine Lockerung der Sparzwänge oder über
vermögensbezogene lokale Steuern, wie
etwa der Grundsteuer. Hier ist jedoch auf-
grund der Kompetenzen weniger ein Appell
an die Gemeinde angebracht, sondern eher
Druck an den Bund angesagt.
INTERVIEW
Gut gewachsen
Welcher Handlungsstrate-
gien bedarf eine wachsende
Stadt?
Es gelten Prinzipien einer
nachhaltigen Stadtentwicklung.
Ökonomische, ökologische
und soziale Belange werden
dabei sorgfältig miteinander
abgewogen. Eine soziale
Wohnungspolitik sollte auch
unter Wachstumsbedingungen
eine Verdrängung vermeiden.
Beim Verkehr muss es eine
ausreichende und effiziente
Infrastruktur und einen hohen
Anteil des „Umweltverbundes“
geben. Alle diese Konzepte
müssen in eine Gesamtstrate-
gie einfließen.
Was ist im öffentlichen Raum
besonders wichtig?
Dass Menschen den öffentli-
chen Raum nutzen oder sich
aneignen können, wenn sie
die rechtlichen Rahmenbe-
dingungen einhalten und auf
andere Rücksicht nehmen. Die
Gestaltung sollte dem örtlichen
Charakter entsprechen und
unverwechselbar sein. Soziale
Kontakte, aber auch Rück-
zugsräume und das Gefühl der
Sicherheit sind wichtig. In die
Planung sollten BürgerInnen
intensiv einbezogen werden.
Stichwort Siedlungsentwick-
lung...
Es geht dabei vor allem um
die Bewältigung des Bevölke-
rungswachstums oder -rück-
gangs. Städte müssen sich
an die schon eingetretenen
Klimaveränderungen anpas-
sen und ihre Potenziale zur
positiven Beeinflussung des
Klimas nutzen. Der durch die
digitale Revolution verursachte
ökonomische Strukturwandel
ist eine Herausforderung. Es
ist auch wichtig, eine nicht ver-
trägliche soziale Segregation
zu vermeiden.
Einer Segregation entgegen-
steuern heißt...
Man muss eine aktive und
langfristige Wohnungspolitik
verfolgen. Das umfasst ein ent-
sprechendes Mietrecht, voraus-
schauende Liegenschaftspolitik
und Kooperation mit der priva-
ten Immobilienwirtschaft, um
nach Möglichkeiten gemein-
samer Aktivitäten zu suchen.
Die Stärkung kommunaler
Wohnungsunternehmen gehört
dazu. Es gilt aber auch, neue
Wege zu beschreiten, wie es
etwa München mit seiner „so-
zial gerechten Bodennutzung“
tut, und neue Modelle z.B. wie
in Berlin für die Eigenheimbil-
dung einkommensschwächerer
Gruppen zu entwickeln.
Stadt contra Land?
Städte sind „Motoren“ der
gesellschaftlichen Entwicklung
und damit auch wesentliche
Elemente in ökonomischer,
kultureller, sozialer und ökolo-
gischer Hinsicht. Wenn sie die
oben genannten Herausfor-
derungen bewältigen, können
sie auch den ländlichen Raum
stützen.
DI Martin zur Nedden
ist
Wissenschaftlicher Direktor
und Geschäftsführer am Deut-
schen Institut für Urbanistik in
Berlin und Honorarprofessor
für Stadtentwicklung an der
Hochschule Leipzig
AK Stadt · Seite 11
wien.arbeiterkammer.at/meinestadt
Martin zur Nedden
vom Deutschen Institut für Urbanis-
tik (Difu) erklärt, worauf eine wachsende Stadt Rück-
sicht nehmen muss, um sich nachhaltig zu entwickeln.
Der Anteil an Hochqualifizierten, aber auch
Low-skill Bereiche, etwa Reinigungs- und
Sicherheitsdienste, wachsen
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10 12,13,14,15,16
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