die öffentliche Hand eine Dienstleistung
selbst erbringen, wäre dies nur mehr im
Rahmen eng gesteckter Grenzen zuläs-
sig. Besonders davon betroffen wären
Betreiber mit privater Minderheitsbetei-
ligung, aber auch Mehrspartenunterneh-
men wie die meisten Stadtwerke sowie
Gemeinden, die sich in der Erbringung
zusammenschließen. Sie alle müssten in
Zukunft den komplizierten und umfang-
reichen Vorgaben der Konzessionsricht-
linie entsprechen – und könnten dann die
gesamte Dienstleistung EU-weit auch
ausschreiben müssen. Synergieeffek-
te und Effizienzgewinne werden dabei
jedoch beschnitten. Die Kosten dafür
müssten die BürgerInnen tragen, welche
laut EU-Kommission durch die Liberali-
sierung eigentlich entlastet werden soll-
ten. Zweifelsohne schaffen die geplanten
Bestimmungen erhebliche Rechtsunsi-
cherheit und Verwaltungsaufwand für
kleine wie große Kommunen und stellen
die BürgermeisterInnen vor schwierige
Abwägungsfragen. Insbesondere dann,
wenn Gemeinden aufgrund der allgemei-
nen Sparpolitik in finanzielle Schwierig-
keiten kommen und nach kurzfristiger
finanzieller Entlastung suchen.
WIDERSTAND
Die Pläne der EU-Kommission lösten
besonders in Österreich und Deutsch-
land von Anfang an breite politische
Gegenwehr aus – steht hier doch die Zu-
kunft einer zumeist durch die öffentliche
Hand erbrachten Wasserversorgung von
international hervorragendem Ruf auf
dem Spiel. In Deutschland machte man
außerdem schon zweifelhafte Erfahrun-
gen mit Privatisierungen des Sektors.
Fotos: Privat (1)
kann Wettbewerb „in“ der Versor-
gung praktisch gar nicht funktionieren,
sondern nur Wettbewerb „um“ die Ver-
sorgung. Im Sinne einer nachhaltigen,
qualitativ hochwertigen und flächende-
ckenden Erbringung zu leistbaren Prei-
sen sollte das wirtschaftliche Handeln
hierbei von langfristigem Planen, Kos-
tendeckung und Qualitätsmaximierung
statt Gewinnmaximierung geprägt sein.
Dem alleinigen Versorger eines Gebietes
kommt somit eine große Verantwortung
zu, welche auch demokratischeKontrolle
benötigt. Über diese demokratische Kon-
trolle verfügen die BürgerInnen aber nur
dann, wenn die Verantwortung für die
Wasserversorgung in öffentlicher Hand
liegt: Sollte es zu Versorgungs- oder
Qualitätsproblemen kommen, kann man
seinen Unmut darüber nötigenfalls an der
Wahlurne kundtun.
Der weltweite private Markt für Was-
serversorgung liegt hingegen in den
Händen einiger weniger, börsennotierter
Großkonzerne, welche zwar hunderte
Millionen Menschen zu ihren Kunden
zählen, in ihrem wirtschaftlichen Han-
deln aber vorrangig demWohl der Aktio
näre verpflichtet sind. Die Folgen: Man-
gelnde langfristige Verantwortung und
weitgehende Anonymität gegenüber den
BürgerInnen sowie kurzfristige Gewinn
orientierung tragen dazu bei, dass bei
privaten Versorgern das Prinzip „so rein
wie möglich“ oft durch „so sauber wie
gesetzlich gefordert“ abgelöst wird. Das
Ergebnis: Mangelhafte Instandhaltung
der Leitungsnetze zu Gunsten höherer
Gewinne, bestenfalls Mindeststandards
in der Wasserqualität, Intransparenz, ra-
sant steigende Verbraucherpreise.
EU-POSITION
Trotz bisher weltweit negativer Er-
fahrungen weisen aktuelle Initiativen
der EU-Kommission weiter in Richtung
Wasserliberalisierung. So drängte die
Kommission imOktober 2012 Griechen-
land und Portugal in einem offenen Brief
dazu, ihre öffentlichen Versorgungsun-
ternehmen inklusive der Wasserversor-
gung zu privatisieren. Die Zurufe aus
Brüssel wurden mittlerweile auch erhört:
Im Februar 2013 gab die griechische Pri-
vatisierungsbehörde gegen den Wider-
stand der Bevölkerung grünes Licht für
die vollständige Privatisierung der Was-
serversorgung von Thessaloniki. Athen
soll als Nächstes folgen.
KONZESSIONSRICHTLINIE
Die Pläne der EU-Kommission ge-
hen aber noch viel weiter und könnten
in Zukunft auch die öffentliche Was-
serversorgung in Österreich betreffen:
Ende 2011 schlug sie eine Richtlinie zur
Vergabe von Konzessionen für Bereiche
der öffentlichen Daseinsvorsorge – in-
klusive der Wasserversorgung – vor.
Das Regelwerk würde besonders vor
dem Hintergrund der EU-Sparpolitik
private Anbieter erheblich begünstigen.
Ihre Notwendigkeit wurde mit einer
europaweiten Harmonisierung der Ver-
gabeverfahren von Dienstleistungskon-
zessionen „zur Verbesserung des Wett-
bewerbs“ begründet. Da es aber bisher
in Bereichen wie der Wasserversorgung
so gut wie keine Verstöße gegen das EU-
Wettbewerbsrecht gab, welche eine neue
Richtlinie nötig machen würden, dürften
die wahren Gründe dahinter andere sein:
Seit der Finanzmarktkrise gibt es deutlich
weniger Möglichkeiten zu spekulieren.
Es steigt der Druck, neue Möglichkeiten
lukrativer Geldanlagen zu schaffen. Mit
20 Prozent des EU-Bruttoinlandprodukts
(BIP) erscheint das Auftragsvolumen öf-
fentlicher Institutionen in Europa dabei
als äußerst schmackhafter Kuchen. Wohl
der sensiblen Thematik bewusst, wur-
de die ganze Tragweite des Regelwerks
juristisch auffällig geschickt verpackt,
oder besser gesagt: versteckt. So sieht die
Konzessionsrichtlinie zwar keinen Priva-
tisierungsautomatismus vor, will jedoch
Reiches Österreich
Nur knapp drei Prozent des jährlichen Gesamt-
dargebots an Wasser in Österreich werden
genutzt. Davon entfallen 61 Prozent auf Industrie
und Gewerbe, acht Prozent auf die Landwirt-
schaft und 31 Prozent auf private Haushalte.
Lebenselixier
Unser Körper besteht zu rund 70 Prozent aus
Wasser, ohne dessen kontinuierliche Zufuhr wir
innerhalb weniger Tage sterben würden. Wir brau-
chen es zudem für unsere Hygiene zum Schutz vor
gefährlichen Krankheitserregern.
Wasserknappheit
Jährlich sterben ca. 1,5 Millionen Menschen an ver-
unreinigtem Wasser. Rund 783 Millionen haben kein
sauberes Wasser. 2,5 Milliarden Menschen fehlen
sanitäre Einrichtungen – davon neun Millionen in der
EU, v.a. in Südosteuropa.
VIRTUELLER VERBRAUCH
Trotz Wassersparen gibt es „unsichtbare“
Verschwendung. Was wir bei unserem Was-
serkonsum nämlich nicht berücksichtigen, ist
der Verbrauch an sogenanntem „virtuellen“
Wasser, also jenem Wasser, das zur Erzeugung
eines Produkts aufgewendet wird. So benötigt
zum Beispiel die Produktion von einem Kilo
Rindfleisch 15.000 Liter Wasser!
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Wirtschaft & Umwelt 1/2013
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WASSER