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on zehn Berufsjahren werden
nur zwei angerechnet, um
den Lohn zu drücken. Ein
46-jähriger Mann wird als „zu alt“
für einen Job abgelehnt. Wenn
jemand in schwierigen Zeiten seine
Arbeit verliert, wird er automa-
tisch als „arbeitsscheu“ abge-
stempelt. Dabei antworten viele
Unternehmen oft nicht einmal auf
eine Bewerbung. Die Berichte von
Jobsuchenden in der AK Umfra-
ge zeigen: Die Arbeitssuche wird
immer mehr zum entwürdigenden
Spießrutenlauf.
Dabei sind alle, die eine Arbeit
suchen, in einer wirtschaftlich und
menschlich oft schwierigen Lage. Es
ist blanker Hohn, wenn manche
Personalchefs diese Menschen
durch herablassende Behandlung
herabwürdigen oder Wirtschaftsver-
treter davon sprechen, dass
„Arbeitsunwilligkeit“ härter bestraft
werden soll und die Zumutbarkeits-
regeln bei der Arbeitsuche
verschärft werden sollen.
Es gibt so viele Arbeitslose, weil
es zu wenige offene Stellen gibt,
nicht etwa weil Menschen nicht
arbeiten wollen. Bis jetzt schaffen
es 60 von 100 aller Arbeitsuchen-
den im Schnitt nach drei Monaten
wieder in eine Beschäftigung. Das
zeigt: Die Arbeitsuchenden nehmen
vieles in Kauf, um Arbeit zu finden.
Für sie braucht es mehr
Respekt und gute Angebote. Die
AK hat erreicht, dass in Stellenin-
seraten Gehaltsangaben gemacht
werden müssen. Die AK hat sich
dafür eingesetzt, dass künftig 400
BeraterInnen mehr im AMS die
Arbeitssuchenden besser unterstüt-
zen können und dass das
Fachkräfte-Stipendium den
Menschen wieder die Möglichkeit
gibt, sich weiterzubilden. Das sind
wichtige Ansätze.
In erster Linie ist die Wirtschaft
aufgerufen, mehr zu investieren.
Darüber hinaus sind auch öffentliche
Investitionen in den Bau von
Wohnungen, in Straßen, in die Bahn
und in Kindergärten und Schulen
nötig. Es geht darum, die Arbeits-
losigkeit zu bekämpfen, und nicht
die Menschen, die arbeitslos sind.
Mehr Respekt
AK Präsident Rudi KASKE zum Spießrutenlauf Arbeitssuche
Noch Fragen?
wien.arbeiterkammer.atAK FÜR SIE 02/2017
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”
Wurde gefragt, ob ich auf Stöckel-
schuhen und im kurzen Kleid arbeiten kann, für
Bürojob in einer Personalabteilung!“
”
Der Vorgesetzte setzte vor mir beinahe alle Kollegen
herab, drohte ihnen mit Kündigung und sprach eine
Kündigung direkt vor mir aus. Ich habe den Job dort nicht
angenommen.“
”
Ich wurde abgelehnt, weil ich kein Wiener sei. Das kam
dreimal vor.“
”
Gruppenbewerbungsgespräch mit Behinderten, wo wir
alle unsere Krankengeschichten darlegen mussten. Da
alle vom AMS zwangsverpflichtet waren, hat sich keiner
getraut, etwas zu sagen.“
”
Von zehn Berufsjahren wurden nur zwei
angerechnet.“
”
Es wurde mit mir geschrien, weil ich eine viertel Stunde
zu früh gekommen bin.“
”
Ich habe oft erlebt, dass man Arbeitslosen eine
dauerhafte Stelle verspricht, ihr Dienstverhältnis aber im
Probemonat auflöst, weil man in Wahrheit nur vorübergehend
(Urlaubsvertretung) jemanden gebraucht hat.“
”
Bewerbung auf die Stelle als Sachbearbeiter,
Einladung zur Portierstelle.“
”
Fragen zu einer etwaigen Schwangerschaft wurden
gestellt. Dann war die Dame enttäuscht, weil ich keine
Kinder wollte.
Die AK Online-Umfrage „Erfahrungen bei der Arbeitssuche“
534 Menschen auf Arbeitssuche haben im Oktober/November ’16 den AK Online-Fragebogen zu ihren Erfahrungen ausgefüllt.
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41 Prozent
erhielten „nie oder selten“
Antwort auf eine schriftliche Bewerbung.
■
60 Prozent
konnten „nie oder selten“ über
die Höhe der Bezahlung verhandeln.
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63 Prozent
bekamen „nie oder selten“
aufgrund bisheriger beruflicher Erfahrung
eine bessere Bezahlung angeboten.
■
56 Prozent
konnten „nie oder selten“ im
Bewerbungsgespräch persönliche Wünsche zu
Arbeitszeit, Einschulung, Weiterbildung oder zu
familiären Verpflichtungen ansprechen.
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33 Prozent
beklagten, „oft oder immer“
habe die AMS-Vermittlung oder die Tatsache,
dass sie arbeitslos waren, beim Bewerben
geschadet.
■
48 Prozent
sagten, „oft oder immer“ sei
nach ihrem Eindruck das Alter ein Problem
bei der Arbeitssuche gewesen.
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18 Prozent
sagten, „oft oder immer“ hätten
sie den Eindruck, dass sie als Mann oder Frau
bei der Bewerbung diskriminiert wurden.
■
12 Prozent
sagten, „oft oder immer“ habe
ihre Herkunft ihnen bei der Jobsuche
geschadet.
■
11 Prozent
sagten, „oft oder immer“ sei ihr
Gesundheitszustand für den Arbeitgeber ein
Problem gewesen.
Was sich Menschen
anhören müssen …