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AK FÜR SIE 10/2014
Wissen
D
er Schulbub Willi Millimandl
lebt in Millimandlstadt. Es ist
ein gutes Leben dort. Die Er-
wachsenen arbeiten höchs-
tens sechs Stunden täglich,
die Kinder können sich überall
frei bewegen. Doch eines Nachts wachen
alle Kinder von einem lauten Geräusch
auf: „Bumbum!“ Am nächsten Morgen ist
alles anders: Die Erwachsenen arbeiten
bis zum Umfallen, und wenn die Kinder
wissen wollen, was denn der Lärm in der
Nacht zu bedeuten hatte, heißt es nur:
„Fragt nicht!“
So beginnt das Buch „Willi Millimandl
und der Riese Bumbum“ der Schriftstelle-
rin Mira Lobe und der Zeichnerin Susi
Weigel. AK FÜR SIE-Testleserin Azra Na-
fiza gefiel das Buch so gut, dass sie es
nicht mehr hergeben wollte: „Ich habe ge-
rade lesen gelernt“, strahlt sie. „Ein sehr
charakteristisches
Lobe-Weigel-Buch“,
meint der Literaturwissenschaftler Georg
Huemer. Das Erfolgsduo erfand die tolls-
ten Fabelwesen, hatte jedoch die Proble-
me der wirklichen Welt immer im Auge.
Bei den „Millimandln“ geht es laut Huemer
„um Rebellion gegen Unrecht und Tyran-
nei; darum, dass auch Kinder gehört wer-
den – aber auch um Solidarität“. Die Arbei-
terkammer bringt das längst vergriffene
Buch im Jungbrunnen-Verlag neu heraus.
„Komme mir wie am Rand vor“
Dem schlimmsten Unheil, das Menschen
nur widerfahren kann, ist Mira Lobe als Jü-
din selbst begegnet: 1933, in ihrem Abitur-
jahr, hatten die Nazis die Macht in Deutsch-
land übernommen. Als 1935 dieNürnberger
Rassegesetze den Terror des Regimes ge-
genüber den Juden in Gesetzesform gos-
sen, konnte keine Rede mehr sein „vom
Verbleiben im so genannten Vaterland, das
auf einmal keins mehr war“, so Lobe. Sie
wanderte 1936 nach Palästina aus.
1950 zog die gebürtige Deutsche mit
Mann und Kindern wieder um, wurde Wie-
nerin und lernte hier Susi Weigel kennen. In
„Das kleine Ich bin ich“ (nach einer Idee
Weigels), das wohl jedes Kindergartenkind
kennt, geht es um ein buntes Tier, das Ab-
lehnung erfährt, weil es so anders ist. „Wis-
sen Sie, ich komme mir auch wie irgendwo
hier am Rand vor“, sagte Lobe einmal in ei-
nem Interview. Ausgrenzung kann vernich-
tend sein: Weil das Tier nicht sagen kann,
Schriftstellerin Mira
Lobe las Kindern oft vor.
Unten: Die Künstlerin
Susi Weigel lieferte die
Bilder dazu
Azra Nafiza liest
„Willi Millimandl
und der Riese
Bumbum“ – für
jedes Kind, das die
Ausstellung „Ich
bin ich“ im
Wien Museum
besucht
Kinderb
geg
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