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it 1. Juli haben die Ersten ihre
Jobs angetreten. In Pflegehei-
men, bei der Schuldnerberatung,
in Schulsekretariaten, im Stadt-
museum. Für viele ist es der erste fixe Job
seit Langem. Denn sie gehörten zur Grup-
pe der älteren Langzeitarbeitslosen.
Aktion 20.000 startet
Die Regierung hat sich auf die Aktion
20.000 geeinigt. Das Ziel: 20.000 arbeits-
losen Menschen über 50 Jahren wird zwei
Jahre lang ein Arbeitsplatz finanziert. Seit
Juli geht es in den Modellregionen los.
Auch Wien ist eine Modellregion. Angebo-
ten werden Stellen im kommunalen Be-
reich.
20.000 klingt nach viel. Aber die Zahl
relativiert sich rasch. Knapp fünfmal so vie-
le Personen über 50 Jahre sind in Öster-
reich derzeit arbeitslos. Während die Ar-
beitslosigkeit allgemein sinkt, steigt sie bei
den 50+-ArbeitnehmerInnen.
Wer wissen will, wie es den Betroffe-
nen geht, kann in Wien im „Zentrum für
Kompetenz und Erfahrung“ vorbeikom-
men. In dieser Einrichtung vom Verein FAB
werden Ältere dabei unterstützt, eine Stel-
le zu finden.
Dort kann man etwa Peter treffen, ei-
nen witzigen, höflichen, freundlichen
Mann. Er hat viele Argumente, einen klaren
Standpunkt. Seit rund drei Jahren ist der
sportliche 55-Jährige auf der Suche. „Ich
habe mir nicht gedacht, dass das so
schwierig sein wird“, sagt der Wiener, der
bei der Polizei und als Sportbadewart ge-
arbeitet hat. Hunderte Bewerbungen hat
er abgeschickt, Hunderte Hoffnungen sind
versandet. „Lebenserfahrung wird von Un-
ternehmen nicht wertgeschätzt.“
Durch Jüngere ersetzt
Auch Johanna (Name von der Redaktion
geändert) nützt die Angebote im Zentrum.
Denn wie es ist, eine Stelle zu verlieren,
hat die 56-Jährige, die deutlich jünger
wirkt, schon öfter erlebt. Sie hat im Marke-
ting und Vertrieb gearbeitet, in einer Bran-
che, in der ständig umstrukturiert wurde.
Immer wieder – auch schon mit Mitte 30
– ist Johanna durch Jüngere ersetzt wor-
den. „Ich hatte oft den Eindruck, dass viele
Abteilungsleiter eine junge, gut aussehen-
Wir brauchen
mehr Jobs
Mit der Aktion 20.000 soll älteren Arbeitslosen
geholfen werden. Wie geht es den Betroffenen?
Foto: Thomas Lehmann
de Mitarbeiterin gleichsam als Gehalts-
bestandteil sehen“, sagt die Wienerin. „Ich
hab immer auf Leistung gesetzt und dar-
auf, dass die Firma das sieht. Aber das
wurde nicht anerkannt.“
Was vergessen wird, meint Johanna:
„Heutzutage haben ja sehr viele Frauen
und Männer mit über 50 noch schulpflich-
tige Kinder.“ Es wäre daher sehr zynisch,
zu meinen, dass in diesem Alter ein Mini-
einkommen schon reicht.
„Das Leben ist ja nicht aus“
„Das Leben ist ja nicht aus mit 50+. Auch
da bräuchte man noch Chancen, in das
Arbeitsleben wieder reinzukommen“, sagt
Johanna. Um die zu erhalten, bräuchte es
mehr Jobs.
Ob die Aktion 20.000 hilft? Peter ist
skeptisch. Wichtig wäre, glaubt er, durch
klare Rahmenbedingungen wirklich langfris-
tig funktionierende und unsubventionierte
Arbeitsplätze zu schaffen, denn viele Unter-
nehmen würden sich zu viel auf die Förde-
rungen verlassen. „Die traurige Praxis zeigt
auf, dass in der Privatwirtschaft Arbeitneh-
mer ab einem gewissen Alter beinhart ge-
kündigt werden und anstelle dessen billige
Leute eingestellt werden“, sagt Peter. Und
außerdem bräuchte es einen besseren Kün-
digungsschutz und mehr Kontrollen gegen
Sozial- und Lohndumping, meint er.
n
M.K.
„Lebenserfahrung wird von den Unterneh-
men nicht wertgeschätzt“, meint Peter, der
seit drei Jahren auf Arbeitssuche ist
8
AK FÜR SIE 07–08/2017
50+ auf Jobsuche
04/14
04/15
04/16
04/17
Quelle: AMS Wien
n
Vorgemerkte arbeitslose Personen und
Personen in Schulungen in Wien
n
davon Frauen
10.371
32.197
11
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396
33.192
35.293
12.015
29.115
13.059
Arbeit