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AK FÜR SIE 11/2014
Gegen alle
Erwartungen
Bei der Berufswahl müssen Frauen und Männer
noch immer alte Rollenbilder überwinden. Und so
führen oft erst Umwege zur richtigen Arbeitsstelle.
M
anuela Dobeiner ist gelernte
Informatikerin und Feministin:
„Ich wollte so gut programmie-
ren können, dass ich nur mehr
ganz wenig arbeiten muss“,
erzählt sie. „Zuletzt bin ich mit nur zehn
Stunden pro Woche ausgekommen und
habe Politikwissenschaft mit frauenpoliti-
schem Schwerpunkt studiert.“ Leicht sei es
aber nicht gewesen, sich in einer „Männer-
Branche“ durchzusetzen. Auch Oktan Mü-
cahit stieß nicht immer auf Verständnis, als
dergruppe – und dann noch eine und
noch eine. Mittlerweile gibt es sieben „Kin-
dergruppen Pilot“ und das Ausbildungsin-
stitut „Bildung gestalten“. Mücahit sagt:
„Ich habe sozusagen einen Schatz gefun-
den und möchte dieses Wissen teilen.“
„Ich wollte nichts Normales“
Um den eigenen Weg zu gehen, braucht
es Selbstbewusstsein. „Die Leute haben
gesagt, ich soll etwas Normales machen,
etwa ein Gymnasium. Ich wollte aber et-
was Besonderes“, sagt Merve Tuz,
Manuela Dobeiners Informatik-
Lehrling. Als Merve mit zehn Jahren
nach Österreich kam, entdeckte sie
in der Hauptschule ihr Talent: „Ich
habe nie verstanden, warum die an-
deren beim Programmieren so lan-
ge brauchen.“ Doch den Umstieg
auf das Gymnasium schaffte sie
wegen Deutsch nicht. Ihr Traum
vom Studium an der Technischen
Universität schien unerfüllbar. Da
vermittelte ihr die Mädchenbera-
tungsstelle „Sprungbrett“ ihre Lehr-
stelle – Berufsma-
tura inklusive.
„Oft sitze ich da und
frage mich: Ist das über-
haupt Arbeit? Es fühlt
sich wie Freizeit an“, er-
zählt Merve. Und auch
Manuela Dobeiner arbeitet wieder mehr
als zehn Wochenstunden, seit sie mit Ok-
tan Mücahit das Institut „Bildung gestal-
ten“ gestartet hat: „Jetzt gehe ich in Arbeit
unter, und es macht mir nichts aus.“ Be-
geistert erzählt sie von der Verwaltungs-
Software, die sie hier neu für Kindergrup-
pen entwickelt hat: „Mit WieKi können
Kindergruppen mit dem unterschiedlichs-
ten Angebot alles in einem Programm ab-
wickeln. Hinten kommt immer eine Ab-
rechnung in der passenden Form mit der
Förderstelle raus.“
Aufstieg im Unternehmen
Als Mann im Einzelhandel ist David Hrou-
da klar in der Minderheit, der Frauenanteil
liegt bei drei Viertel. Hrouda: „Woanders
würde ich mehr verdienen. Aber es würde
nicht so viel Spaß machen. Es wird von
uns viel Kreativität gefordert, wie wir etwa
eine neue Aktion prä-
sentieren, weil die Filia-
len bei uns so unter-
schiedlich sind.“ Neben
der Büroarbeit steht er
genauso wie seine Kol-
leginnen an der Kasse
oder schlichtet Ware in die Regale. Zuvor
hatte er jahrelang in „Männer-Branchen“
gearbeitet: „Gelernt habe ich Elektriker,
dann war ich Verkäufer in einem Baumarkt,
dann Lagerleiter und Computertechniker.“
Umgesattelt hat David Hrouda, als er
bei Zielpunkt eine Ausschreibung für eine
Fotos: Lisi Specht
Frauenberuf? Männerberuf?
„Oft sitze ich da und
frage mich: Ist das über-
haupt Arbeit? Es fühlt
sich wie Freizeit an.“
Merve Tuz,
Informatik-Lehrling
David Hrouda ist zufrieden in der „Frauen-
branche“ Einzelhandel: „Woanders könnte
ich mehr verdienen. Aber es würde weniger
Spaß machen“
SUCHBILD: Wer ist
Fachkraft für Informatik,
wer für Kinderbetreuung?
er als finanziell erfolgreicher Selbstständiger
auf Kinderbetreuung umsattelte. „Und das
als Mann mit türkischen Wurzeln!“, lacht er.
Ob Montessori-Methode oder Ansätze
des Familientherapeuten Jesper Juul –
Herr Mücahit kennt alle alternativen Me-
thoden: „Für mich ist es ganz wichtig, dass
Kinder Freiräume haben.“ Entdeckt hat er
sein Interesse mit der Geburt seiner eige-
nen Kinder. Er eröffnete selbst eine Kin-