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AK FÜR SIE 11/2014
Heiß begehrt,
hart umkämpft
Vor allem in privaten Altbauwohnungen steigen
die Mieten extrem an. Die AK drängt auf mehr
Mieterschutz und mehr Neubau.
E
s war mal ein Treffpunkt für alle, gleich
ums Eck vom Ottakringer Brunnen-
markt: Künstler, die wenig Geld fürs
Essen übrig hatten, und Bewohner
aus demGrätzl, für die das ehemalige
türkische Café Treffpunkt war, kamen hier
zusammen, zum Reden, zum Kartenspielen
und zum Teetrinken. Zwei fremdeWelten, die
sich erst misstrauisch be-
äugten und dann schnell
recht gut miteinander aus-
kamen.
Heute zeigt der Staub
von Jahren an den zuge-
klebten Fenstern, dass
sich schon lange keiner
mehr um den einstigen Treffpunkt der Leute
mit dem eher kleinen Geldbörsel geküm-
mert hat. „Viele haben versucht, das Lokal
neu zu eröffnen. Aber die Hausverwaltung
hat auf diese Angebote nicht reagiert“, sagt
Roland Schütz. Der Maler lebt seit 1992 in
der Grundsteingasse und beobachtet seit
Jahren, wie steigende Mieten und Immobili-
enpreise „sein Grätzl“ verändern.
So verfällt das Haus mit dem alten Café.
Auch wenn keiner etwas tut, wird es immer
wertvoller, denn rund um den Brunnenmarkt
steigen die Immobilienpreise. „Einer macht
Gewinn. Viele verlieren ein Stück Gemein-
samkeit“, sagt Roland
Schütz. Zwei Häuser wei-
ter zeigt Schütz auf ein wei-
teres Haus. Auch dieses
Haus stand lange fast leer,
als es eine gewerkschafts-
nahe Stiftung übernahm
und ein Wohnprojekt auch
mit Förderung der Stadt Wien machte: Die
verbliebenen 3 Mieter konnten im Haus blei-
ben. Das Haus wurde nach den Wünschen
aller MieterInnen gestaltet. „Es gibt hier
Glanz und Elend der Entwicklung im Viertel
Wand an Wand“, sagt Roland Schütz.
„Wir sehen gerade
in den Altbau-Bezirken
eine Entwicklung hin zu
teuren Luxuswohnun-
gen, die es sehr viel
schärfer
auch
in
anderen Großstädten
gibt“, sagt der Wiener
Soziologe Florian Hu-
ber: Die Wohnungen im
Viertel werden teuer,
wenn ein Gebiet zum
Trendviertel wird, oft
rund um einen Markt.
Dann verschwindet das
alte Beisl ums Eck.
Stattdessen macht ein Gourmet-Restau-
rant auf, das Gäste aus den wohlhaben-
den Bezirken anzieht. „Diese Veränderun-
gen im Viertel spüren auch die, die nicht
wegziehen: Wenn ganze Nachbarschaften
ihre Treffpunkte verlieren, gehen auch
Freunde und Helfer im Alltag verloren“, sagt
Huber. Wien habe aber auch seine Stär-
ken: die Mieterhilfe, die Gebietsbetreuung
und die vielen Gemeindebauwohnungen.
Wohnmodell für Europa
Denn Wien gilt beim Wohnen in Europa als
Modellstadt, weil nach wie vor fast jede
zweite Wohnung eine Gemeindebauwoh-
nung oder eine geförderte Wohnung ist.
„Anders als etwa in München können sich in
Wien noch viel mehr Familien mit kleinem
Einkommen ein Wohnen in der Stadt leis-
ten. Aber damit das so bleibt, muss sich
jetzt rasch etwas ändern“, sagt der Leiter der
AK Abteilung Kommunalpolitik, Thomas Ritt.
Besonders interessant für Investoren
sind Altbauwohnungen ohne MieterInnen.
Deshalb kommt es inzwischen in Wien
Fotos: Lisi Specht
Wohnen im wachsenden Wien
„Wien hat eine Tradition
als Stadt, die allen
Einkommensgruppen
Wohnraum bietet. Das
muss so bleiben.“
AK Präsident Rudi Kaske
1.200 statt 700 Euro Miete oder ausziehen?
Tina Leisch hat sich gewehrt und die Schlich-
tungsstelle angerufen