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AK FÜR SIE 05/2017
gesunken ist, für die Arbeitgeber teuer.
Der Druck ist enorm.“
Angriff auf ArbeitnehmerInnen
Klaus Hettlinger arbeitet derzeit auf einer
Baustelle in Ottakring: „Trotz des geringe-
ren Verdienstes muss ich viel mehr Aufga-
ben übernehmen als früher.“ Hettlingers
Kollege Manfred Fleck: „Alles wird immer
billiger, und wer sich nicht beugt, der wird
schnell ersetzt.“
Für AK Präsident Rudi Kaske ist das
ein unzumutbarer Zustand: „Es darf nicht
sein, dass unkorrekte Unternehmen gezielt
durch illegale Beschäftigungsformen un-
sere Lohn- und Sozialstandards unterlau-
fen. Das ist ein Angriff auf alle Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer, aber auch auf
jene Unternehmen, die sich korrekt an die
Gesetze halten.“
Eine Verbesserung hat die Arbeiter-
kammer zuletzt erreicht: die so genannte
Auftraggeberhaftung. Wer bei öffentlichen
Aufträgen und bei grenzüberschreitenden
Entsendungen am Bau einen Auftrag wei-
tergibt, muss geradestehen, wenn der
Sub-Auftragnehmer seine Beschäftigten
nicht korrekt entlohnt. Die AK fordert zu-
sätzlich, dass nach Zuschlagserteilung die
Subunternehmerkette auf ein Subunter-
nehmen beschränkt wird.
Sich wehren . . .
Nicht nur am Bau wird gegen Lohn- und
Sozialdumping gekämpft. Erst Ende April
haben Lkw- und Buslenker in Brüssel für
mehr Kontrolle demonstriert: Auch im Ver-
kehr müssten österreichische Löhne ge-
zahlt werden – und nicht Dumpinglöhne
aus Osteuropa. Die zuständige Gewerk-
schaft vida fordert: Bei Transitfahrten und
Warenlieferungen in Österreich muss unser
Kollektivvertragslohn gelten, und es muss
öfter und schärfer kontrolliert werden.
Der ungarische Bauarbeiter Sándor
hofft bloß, dass er sein Geld irgendwann
erhalten wird – immerhin über 3.000 Euro.
Und Ermittler Albert Stranzl meint: „Es
muss bei den ausländischen Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmern ein Bewusst-
sein dafür geweckt werden, was ihnen
alles zusteht, und dass sie das auch ver-
langen.“
■
SINIŠA PUKTALOVI
Protest der Lkw-Fahrer und Buslenker in Brüssel: Sie fordern, dass auch bei Transitfahrten
durch Österreich nach österreichischem Kollektivvertrag gezahlt werden muss
Mindestlohn in Deutschland ein voller Erfolg
Befürchteter Jobabbau blieb aus – Zuwanderung nach Österreich gesunken.
V
ertreter neoliberaler Wirt-
schaftspolitik schwingen
gerne die Angstkeule, wenn
es um die Interessen der Arbeit-
nehmerInnen geht – so aktu-
ell auch in der Debatte um den
Mindestlohn. Derzeit verhandeln
die Sozialpartner in Österreich um
die Einführung eines Mindestloh-
nes in Höhe von 1.500
€
brutto.
Eine derartige Maßnahme wird in
Österreich 20.000 Jobs kosten,
heißt es etwa in einer Studie eines
neoliberalen Thinktanks.
Dass derartige „Hochrechnungen“
falsch sind, zeigt ein Blick nach
Deutschland. Mario Bossler, Leiter
der Arbeitsgruppe Mindestlohn am
unabhängigen Institut für Arbeits-
markt und Berufsforschung, war
auf Einladung der AK in Wien und
hat die Auswirkungen des Mindest-
lohns auf den deutschen Arbeits-
markt erläutert.
■
Befürchtungen,
dass der
Mindestlohn zu einem Konjunk-
tur- oder Beschäftigungseinbruch
führt, haben sich nicht bestätigt.
Wirtschaft und Beschäftigung in
Deutschland wachsen.
■
Die Zahl
der so genannten
Minijobs ging zurück.
■
Bestehende Jobs wurden
nicht gestrichen,
eher hielten
sich die Unternehmen etwas bei
Neueinstellungen zurück. Anpas-
sungen finden sich eher in Form
von verringerten Arbeitszeiten.
■
Der Bruttomonatslohn je-
ner Beschäftigten,
denen der
Mindestlohn zugutekam, stieg im
Schnitt um zwölf Prozent. Zugleich
erhöhte sich auch die Zufrieden-
heit der MitarbeiterInnen.
■
Sehr wohl hatte der deut-
sche Mindestlohn
aber Folgen
in Österreich: Die Abwanderung
aus dem ostdeutschen Dienstleis-
tungssektor nach Österreich wurde
gebremst – mit anderen Worten:
Ein Mindestlohn vermindert die
Arbeitsmigration.
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M.L.-F.
Foto: Vida
Kellnerin in
Ostdeutschland:
Bevor es in
Deutschland den
Mindestlohn gab,
wanderten viele
nach Österreich
aus. Jetzt kehren
sie zurück
Foto: picturedesk.com / LOOK / Thomas Stankiewicz