ährend Sie nun hier gerade be-
ginnen, diese Zeilen zu lesen:
Wieweit ist es eigentlich bis zum
nächsten Wasserhahn für einen Schluck
frisches, glasklares Trinkwasser? Zehn
Meter, 50 Meter, vielleicht sogar mehr?
Der unkomplizierte, leistbare Zugang
zu sauberem Trinkwasser jederzeit und
überall im besiedelten Raum Mitteleuro-
pas erscheint uns selbstverständlich, ist
er doch so überlebensnotwendig wie die
Luft zum Atmen.
Die Existenz von öffentlichen Was-
serversorgungs- und Abwasserentsor-
gungssystemen entscheidet daher seit
jeher maßgeblich über die Entwicklung
von Hochkulturen mit – sei es nun in
der Antike zu Zeiten der berühmten rö-
mischen Aquädukte, oder heute. Allein
die Erfüllung dieses Grundbedürfnisses
bedeutet darauf aufbauend bessere indi-
viduelle Lebenschancen, wirtschaftliche
Entwicklung und gesellschaftlichen Frie-
den. Im Bewusstsein dessen wurde 2010
der Zugang zu sauberem Trinkwasser
von der Vollversammlung der Vereinten
Nationen (UNO) in die allgemeine Erklä-
rung der Menschenrechte aufgenommen.
Die schlechte Nachricht: Weltweit ge-
sehen ist diese Grundversorgung mit sau-
berem Trinkwasser vielerorts leider noch
immer keine Selbstverständlichkeit.
Der weitere Anstieg der Weltbevölke-
rung und zunehmende Wasserknappheit
machen die Versorgung mit sauberem
Trinkwasser aber auch zu einem Milli-
arden-Geschäft. Laut Schätzungen der
UNO werden rund 300 Milliarden Euro
bis zum Jahr 2020 für die Optimierung
der Wasserversorgung, für neue Techno-
logien und Anlagen benötigt. Wo wirk-
lich viel Geld im Spiel ist, stehen meist
schon private Großkonzerne vor der Tür.
– Und dabei spielen nebenWeltbank und
Internationalem Währungsfonds (IWF)
auch Kreise innerhalb der UNO und der
EU-Kommission durchaus den Türöff-
ner. Nachdem aber das Engagement pri-
vater Konzerne in einigen Entwicklungs-
ländern wie Bolivien drastisch (sogar
blutig) scheiterte und die Unternehmen
ihren Aktionären lieber stabilere Rendi-
ten bieten wollen, steht nun vor allemEu-
ropa auf der Expansionsliste der globalen
Wasserversorger.
ÖFFENTLICH VERSUS PRIVAT
Aber worin liegt eigentlich das Prob-
lem von „mehr Privat – weniger Staat“ in
der Wasserversorgung? Als netzgebun-
dener Bereich mit hohen Fixkosten und
niedrigen Grenzkosten weist die öffent-
liche Versorgung mit Trinkwasser die
charakteristischen Eigenschaften eines
sogenannten „natürlichen Monopols“
auf: Die Gesamtkosten zur Bereitstel-
lung des Wassers sind dabei deutlich
niedriger, wenn nur ein Anbieter und
nicht mehrere konkurrierende Unterneh-
men die Bevölkerung versorgt. Somit
Fotos: Schuh (3),
*DI Lukas Strahlhofer,
MSc
ist Wasserwirtschafter,
Umweltmanager und Mitarbeiter
der Abteilung Umwelt & Verkehr
in der AK Wien.
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Schwerpunkt
WASSER
Wasser: Menschen-
recht unter Druck
W
Wasser ist in aller Munde. Zurzeit auch wieder vermehrt verbal,
denn die EU-Kommission drängt mittels einer neuen Richtlinie
zu mehr Wettbewerb in der öffentlichen Wasserversorgung. Aber
was steckt dahinter? Was sind dabei die Probleme? Wer leistet
Widerstand? Eine Momentaufnahme.
VON LUKAS STRAHLHOFER*
Zusammenfassung:
Wasser ist die Basis allen
Lebens. Weltweit ist eine
Grundversorgung mit
sauberem Trinkwasser
aber leider noch immer
nicht selbstverständlich.
Hinzu kommt, dass auch in
der EU die demokratische
Kontrolle als Vorrausset-
zung einer effizienten und
qualitativ hochwertigen
Versorgung zu leistbaren
Preisen für alle durch Pri-
vatisierung gefährdet ist.
Nun regt sich auch ziviler
Widerstand.
Seite 14
Wirtschaft & Umwelt 1/2013
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