ie das oft zitierte „effizientere
Arbeiten“ privater Unternehmen
in der Praxis konkret aussieht,
zeigen folgende Beispiele:
In England wurde in den 1980er Jahren
die gesamte Wasserversorgungsinfra-
struktur – wie Brunnen, Wasserspeicher
und Leitungssysteme – in privates Ei-
gentum übergeführt – mit verheerenden
Konsequenzen. Da die Sanierung des
veralteten Leitungsnetzes von den immer
wieder wechselnden privaten Betreibern
zugunsten höherer Gewinne verschleppt
wurde, sind kaputte Leitungen heute
allgegenwärtig. So kommen in England
und Wales rund 20 Schadensfälle pro
Jahr auf 100 Kilometer Leitungslänge.
Zum Vergleich: In Österreich sind es im
Durchschnitt 9,2 Schadensfälle. Durch
die ausbleibenden Investitionen geht
in London fast die Hälfte des täglichen
Wasserbedarfs der Stadt verloren, bevor
überhaupt der erste Tropfen Wasser bei
den EndverbraucherInnen ankommt.
Statt nun aber die Rohre zu sanieren,
werden immer neue Wasserreservoirs
erschlossen – die KonsumentInnen
werden gleichzeitig aber sehr wohl zum
Wassersparen aufgefordert. Unter dem
maroden Leitungsnetz leidet auch die
Qualität des Trinkwassers, und die vielen
Leckagen haben zur Folge, dass der Lei-
tungsdruck sinkt. In vielen Wohnungen
in höher gelegenen Stockwerken kommt
ohne die Unterstützung zusätzlicher
Pumpen fast nichts mehr
aus dem Wasserhahn. In
Österreich liegen die Lei-
tungsverluste übrigens bei
zehn Prozent – einem im
internationalen Vergleich
ausgezeichneten Wert.
Die Stadt Paris vergab
ihre Wasserversorgung 1984 in Form
von Konzessionsverträgen an die beiden
Wassermultis Veolia (vormals Vivendi)
und Suez. Von 1985 bis 2009 stieg der
Wasserpreis daraufhin um 265 Prozent
an, bei einer Inflation im gleichen Zeit-
raum von nur rund 70 Prozent. Nun wird
die Wasserversorgung wieder von der
Stadt Paris selbst erbracht. Die Wasser-
preise sanken 2011 um acht Prozent,
liegen aber immer noch über drei Euro
pro Kubikmeter. Ein wesentlicher Grund
hierfür ist, dass man noch immer auf
teures technisches Consulting durch die
vormals privaten Betreiber angewiesen
ist. Die Privatisierung der Versor-
gungssysteme führte zuvor zu einem
nachhaltigen Verlust von Expertise und
Ingenieurwissen im öffentlichen Sektor.
Nachdem die Stadt Berlin
1999 aus budgetärer Not
Teile der Wasserver- und
Abwasserentsorgung an
einen der größten Ener-
gieversorgungskonzerne
Europas, an die Rheinisch-
Westfälische Elektrizitäts-
werke AG (RWE) und an VEOLIA, den
weltweit führenden Konzern in der Bran-
che, verkauft hatten übernahmen diese
trotz Minderheit den operativen Betrieb.
Kräftige Preissteigerungen waren die
Folge. Aufgrund massiven öffentlichen
Drucks kam 2007 dann zum Vorschein,
dass in Geheimverträgen den Privaten
„Gewinngarantien“ zugesichert worden
waren. Mittlerweile ist der Rückkauf der
Anteile im Gange.
WASSERPRIVATISIERUNGEN
EINE FÜLLE VON NEGATIVEN ERFAHRUNGEN
W
Die einen arbeiten unter Hochdruck an der öffentlichen Wasser­
versorgung, die EU an deren gewinnträchtiger Privatisierung.
Wirtschaft & Umwelt 1/2013
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