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*Mag. Joachim Leitner
ist Jurist
und Mitarbeiter der Abteilung
Umwelt & Verkehr in der AK Wien.
m Bereich des gemeinwirtschaftlichen öffentlichen
Personenverkehrs geht seit einiger Zeit der Trend weg
von der Direktvergabe und hin zu Ausschreibungen,
sodass nun neben den angestammten Auftragnehmern ver-
schiedene Unternehmen aus ganz Europa um einen Auftrag
konkurrieren dürfen. Im Busverkehr sind wettbewerbliche
Verfahren bereits verpflichtend, im Schienenverkehr besteht
noch die Möglichkeit der Direktvergabe.
Ein Hauptzweck des Vergaberechts ist, öffentliche Stellen
zum sparsamen Umgang mit Steuergeld zu verpflichten, also
den insgesamt günstigsten Anbieter zu ermitteln. Dies wurde
leider oft verkürzt betrachtet, sodass „Billigstbieter“ fast auto-
matisch den Zuschlag bekamen. Dabei wird übersehen, dass
der Preis durchaus nicht das einzige Kriterium ist, das für die
Vergabe definiert werden kann.
Das Spannungsfeld ist dreigeteilt: Die Auftraggeber suchen
das günstigste Angebot. Die Bieter, also Unternehmer, wol-
len möglichst viele Ausschreibungen gewinnen, um Aufträge
zu lukrieren. Den ArbeitnehmerInnen geht es darum, dass der
Wettbewerb nicht auf ihrem Rücken ausgefochten wird. Le-
gen die Auftraggeber nämlich zu viel Wert auf den Preis und
berücksichtigen soziale und qualitative Kriterien zu wenig,
entsteht ein reiner Preiswettbewerb, den natürlich der Bieter
mit den geringsten Kosten gewinnt. Und da deren Löwenan-
teil im öffentlichen Verkehr die Personalkosten darstellen,
sind Lohn- und Sozialdumping vorprogrammiert.
Dabei geht es auch ganz anders: Der Bewerber, der seinen
MitarbeiterInnen die besten Arbeitsbedingungen bietet, sollte
auch dafür nach oben gereiht werden. Dazu gehören einerseits
innerbetrieblich erreichte Leistungen wie eine Überzahlung des
KV oder spezifische Betriebsvereinbarungen zu Aus- undWei-
terbildungsangeboten, Sozialleistungen und Zulagen. Anderer-
seits geht es darum, Bieter zu bevorzugen, die einen größeren
Anteil an erfahrenen MitarbeiterInnen haben, auch wenn diese
meist in einer höheren Gehaltsklasse sind. Ferner sollte auch
auf so profan erscheinende Dinge wie etwa die Menge, Größe
undAusstattung von Pausen- und Sanitärräumlichkeiten geach-
tet werden. Davon profitieren nicht nur direkt die betroffenen
ArbeitnehmerInnen, sondern auch die Fahrgäste, die motivier-
teres und besser ausgebildetes Fahrpersonal antreffen. Anders
gesagt: Dem höheren Preis für ein sozialverantwortlich wirt-
schaftendes Unternehmen steht in der Regel auch eine qualitativ
bessere Leistung gegenüber, das Preis-Leistungs-Verhältnis ist
daher oft sogar besser als beim klassischen „Billigstbieter“.
Wird die Erfüllung der Sozialkriterien bei der Vergabeent-
scheidung berücksichtigt, ergibt sich im Zusammenspiel mit
Qualitäts- und Kostenkriterien ein ökologisch, ökonomisch
und sozial ausgeglichenes „Gesamtpaket“. Natürlich erfordert
dies einen höheren Aufwand für die Auftraggeber, sowohl bei
der Vorbereitung als auch bei der Durchführung der Aus-
schreibung. Alles, was gefordert wird, muss schließlich auch
zumindest stichprobenartig kontrolliert werden.
Hier ist die öffentliche Hand gefordert, verbindliche Re-
gelungen zu treffen und ausreichend Mittel zur Verfügung zu
stellen, denn schließlich geht es im öffentlichen Verkehr ös-
terreichweit um über 80.000 Beschäftigte.
Mag. Joachim Leitner*
Kontr
Seite 32
Wirtschaft & Umwelt 4/2013
Öffentlicher Verkehr: Ausschr
I
PRO
Gut ausgebildetes und hoch motiviertes Personal ver-
bessert auch Sicherheit und Kundenzufriedenheit.
Ausschreibungen im öffentlichen Verkehr
Leitfaden für Qualitäts- und Sozialkriterien. Ziel dieses Leitfadens ist es, soziale
Rahmenbedingungen zu vereinbaren, die bei zukünftigen Ausschreibungen
greifen. Ohne Qualitätskriterien sind Preisvergleiche nicht möglich!
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rundinfrastruktur/Ausschreibungen_im_oeffentlichen_Verkehr.html
Sozialer Fortschritt darf kein
Wettbewerbsnachteil sein!
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