Schwerpunkt
Fotos: Schuh (2)
Wirtschaft & Umwelt 4/2013
Seite 23
Ineffizienzen beseitigen. Die Beseitigung
der Ineffizienzen könnte dann, bei gleich-
bleibenderQualität, dazugenütztwerden,
die Preise der öffentlichen Dienstleistun-
gen zu reduzieren. In enger Verbindung
dazu wird teilweise sogar behauptet, dass
Privatisierungen zu mehr Innovationen
im öffentlichen Dienstleistungssektor
führen könnten. Außerdem wird gerne
darauf verwiesen, dass Privatisierungen
helfen könnten, das Budgetdefizit zu re-
duzieren (siehe Kasten Seite 23).
Doch stimmen diese Argumente über-
haupt? Das erste Argument ist zumindest
sehr zweifelhaft, wird doch geflissentlich
verschwiegen, dass private Unternehmen
Gewinne machen wollen und meist hohe
AusgabenfürWerbunghaben.Damiteine
Privatisierung wirklich zu Preissenkun-
gen führen kann, müssen also die durch
die Privatisierungen hervorgerufenen
Effizienzgewinne (so vorhanden) höher
als die zusätzlich entnommenen Gewin-
ne und die zusätzlichen Werbeausgaben
ausfallen. Die Datenlage zeigt aber, dass
dies meist nicht der Fall ist. So kommt
auch eine Umfrage aus dem Jahr 2008
zu dem Ergebnis, dass die überwältigen-
de Mehrheit der Deutschen der Meinung
ist, dass mit Ausnahme des Telekom-
munikationssektors, Privatisierungen
im Dienstleistungssektor zu steigenden
Preisen geführt haben. Darüber hinaus
führen Privatisierungen und Liberalisie-
rungen auch nicht automatisch zuwettbe-
werbsintensiveren Märkten. In manchen
Fällen kommt es nach Privatisierungen
und Liberalisierungen sogar zu einer
verstärkten Unternehmenskonzentration
und damit zu weniger Wettbewerb.
Dazu kommt, dass die Frage, ob der
öffentliche Dienstleistungssektor wirk-
lich ineffizienter agiert als der private
Dienstleistungssektor, eine ungeklärte
ist. Grundsätzlich haben Unternehmen
in Wettbewerbsmärkten nämlich zwei
Möglichkeiten zu konkurrieren: Sie kön-
nen einerseits versuchen, die Arbeitskos-
ten möglichst weit zu drücken (etwa über
eine Arbeitsverdichtung bei den einzel-
nen Beschäftigten, Personalabbau und/
oder Lohnsenkungen), oder sie können
darum konkurrieren, welches Unterneh-
men innovativer ist und somit die bessere
Qualität liefert. Starke Lohnregelungen,
die in öffentlichen Unternehmen meist
die Regel sind, verhindern Konkurrenz
über die Arbeitskosten und befördern
damit Wettbewerb über die Qualität und
haben daher auch eine innovationsför-
dernde beziehungsweise eine die Produk-
tivität steigernde Wirkung.
Privatisierungen führen also meist
nicht zu Preissenkungen. Dafür ziehen
Privatisierungen oft versteckte Kosten
nach sich, weil die öffentlichenUnterneh-
men soziale oder ökologische Aufgaben,
die sie vorher übernommen haben, nach
der Privatisierung aus Kostengründen
einstellen. Spart etwa ein Unternehmen,
indem es weniger in die Lehrausbildung
investiert, muss der Staat vermehrt Gel-
der in staatliche Lehrwerkstätten inves-
tieren. Für das Unternehmenmag dies ein
Gewinn sein, aus gesamtwirtschaftlicher
Perspektive handelt es sich um ein Null-
summenspiel.
Auch die Aussage, dass Privatisierun-
gen helfen können, dass Budgetdefizit zu
senken, ist höchst zweifelhaft. Betrachtet
man die Privatisierungen der letzten Jah-
re, so zeigt sich, dass die letzten Privati-
sierungen den öffentlichen Haushalten
Studie
Eine detaillierte AK-Studie über die Auswir-
kungen von Privatisierungen auf öffentliche
Haushalte findet sich unter:
-
terkammer.at/wien/MWUG_Ausgabe_114.pdf
Analyse
Exzellente Analyse der Folgen von Privati-
sierungen im Bereich der Daseinsvorsorge:
-
tion%20AK%20Liberalisierung-Band%202.pdf
Projekt
Das Forschungsprojekt PIQUE (Privatisation of Public
Services and the Impact on Quality, Employment and
Productivity) analysiert die Auswirkungen von Liberali-
sierungs- und Privatisierungsprozessen für ausgewählte
europäische Länder und Branchen.
Privatisierungen wirken sich nicht sofort
auf das Nettovermögen eines Staates
aus, steht hinter ihnen doch nur die
Veränderung der Vermögensstruktur.
Dies ist mit einem Beispiel aus dem
privaten Bereich leicht verständlich
gemacht: Verkauft jemand sein Haus,
so wird er auch nicht plötzlich reicher
oder ärmer; das Vermögen wurde
einfach umgeschichtet. Ob der Verkauf
langfristig von finanziellem Nutzen ist
hängt davon ab, ob die alternative Ver-
wendung der Mittel ertragreicher als die
ursprüngliche ist. Geht man z.B. davon
aus, dass die Privatisierungserlöse zur
Schuldenreduktion verwendet werden,
so hängen die finanziellen Auswirkungen
der Privatisierung davon ab, ob mehr
Zinsen gespart werden können als alter-
nativ an Dividenden erlösbar gewesen
wären. Dies ist allerdings meist nicht
der Fall. AK-Analysen der letzten Privati-
sierungsschritte zeigen, dass diese eine
langfristige Belastung der öffentlichen
Haushalte von bisher(!) 1,25 bis 1,78
Milliarden Euro zur Folge hatten.
Öffentliche Haushalte
Entlastung durch Privatisierungen?
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Privatisierungen gefährden die hohe
Qualität des öffentlichen Dienst
leistungssektors.