mehr Geld gekostet haben als sie ein-
gebracht haben (siehe Kasten Seite 23).
Neben diesen finanziellen Überlegun-
gen gibt es allerdings noch grundsätz-
lichere Überlegungen, warum weitere
Privatisierungen im öffentlichen Dienst-
leistungssektor negative Folgen hätten.
Viele Angebote der Daseinsvorsorge
sind auch deshalb in öffentlicher Hand,
weil eine marktförmige Organisation gar
nicht möglich wäre, da es sich um ein na-
türliches Monopol handelt. Dies ist etwa
bei Stromnetzen, Wasserversorgungsein-
richtungen oder dem Schienenangebot
eines Landes der Fall. Darüber hinaus
bedeuten Privatisierungen auch einen
Steuerungs- und Kontrollverlust für den
Staat, was nichts anderes bedeutet, als
dass der Staat weniger Möglichkeiten
hat, seine Politiken umzusetzen. Staatli-
che Unternehmen können ja auch dafür
verwendet werden, verstärkt soziale und
ökologische Ziele zu verfolgen.
Privatisierungen: Gefahren
für Beschäftigte
Für die ArbeitnehmerInnen bedeuten
Privatisierungen meist Personalabbau,
sinkende Löhne und steigenden Arbeits-
druck. So ist beispielsweise in Österreich
die Beschäftigung in der Elektrizitäts-
wirtschaft zwischen 1995 und 2006 um
25% zurückgegangen. Im Post- und pri-
vaten Kurierdienst hat die Beschäftigung
sogar um 29% abgenommen. Und auch
der Organisationsgrad der Gewerkschaf-
ten liegt im privaten Dienstleistungssek-
tor deutlich unter dem des öffentlichen
Dienstleistungssektors. So liegt der Or-
ganisationsgrad beim ehemaligen deut-
schen Postmonopolisten bei etwa 80%,
während der Organisationsgrad bei pri-
vaten Konkurrenten kaum mehr als zehn
Prozent betragen dürfte.
Aus sozialer, ökologischer wie auch
aus ökonomischer Sicht spricht daher
vieles gegen Privatisierungen bei öffent-
lichen Dienstleistungen. Entgegen den
geschürten Hoffnungen sind die Priva-
tisierungsresultate weder was den Preis,
noch was die Qualität der Dienstleistun-
gen betrifft zufriedenstellend. Besonders
dramatisch sind die Auswirkungen für
die betroffenen ArbeitnehmerInnen, die
die Privatisierungen mit Entlassungen,
niedrigeren Löhnen und steigendem
Druck bezahlen müssen.
£
Schwerpunkt
Seite 24
Wirtschaft & Umwelt 4/2013
Interview folgt
*
Mag.
a
Evelyn Regner
ist Juristin und
Abgeordnete zum Europäischen Parlament.
Bei vielen öffentlichen Dienst-
leistungen (ÖDL) hat sich der
Wettbewerb als fatal erwiesen.
Warum lernt man nicht daraus?
Regner:
Auf europäischer Ebene
ist der Druck der Lobbyisten sehr
groß und diese scheinen sich vor
allem in der Kommission gut durch-
zusetzen. Dass Liberalisierungen
auf der Tagesordnung stehen,
sehen wir derzeit in vielen Berei-
chen, wie etwa im Bereich des
Schienenverkehrs (4. Eisenbahnpa-
ket) oder auch beim Bodenperso-
nal auf Flughäfen. Obwohl man im
Vertrag von Lissabon festgehalten
hat, dass Leistungen der Daseins-
vorsorge unter einem besonderen
Schutz stehen sollten, hat der
Binnenmarkt noch immer Vorrang.
Dagegen müssen wir ankämpfen.
Müssten nicht gerade in Krisen-
zeiten die Leistungen der Da-
seinsvorsorge gestärkt werden?
Regner:
Gerade in Zeiten der Krise
ist es besonders wichtig, dafür
Sorge zu tragen, dass die Men-
schen kostengünstigen und umfas-
senden Zugang zu Leistungen der
Daseinsvorsorge haben. Durch die
von konservativer Seite gepushte
Austeritätspolitik hat man leider
den umgekehrten Weg beschritten.
Länder wie Griechenland oder
Portugal wurden von der Troika
unter Druck gesetzt, öffentliche
Unternehmen wie beispielsweise
Wasserwerke zu verkaufen, um ihre
Schulden abzubauen. Unser Ziel
muss sein, diesen Ausverkauf zu
stoppen.
Was ist die größte Gefahr bei
der derzeit verhandelten EU-
Konzessionsrichtlinie?
Regner:
Im Zuge der Verhandlun-
gen wurden auf Druck der Sozialde-
mokratInnen die größten Gefahren
gebannt. So wurde neben der Aus-
nahme der Wasserdienstleistungen
auch der Grundsatz der Selbst-
verwaltung von Behörden explizit
festgeschrieben. Ebenso sieht die
Richtlinie grundsätzliche Ausnah-
men von der Ausschreibungspflicht
vor, wenn es um Verträge zwischen
öffentlichen Stellen oder Vergaben
an öffentliche oder verbundene Un-
ternehmen geht. Die Frage, die aber
immer noch im Raum steht, ist, ob
sich durch die Konzessionsrichtlinie
in der Praxis nicht mehr Probleme
ergeben, als sie löst.
Was tut das EU-Parlament gegen
den Liberalisierungsdruck?
Regner:
Viele im Europäischen
Parlament – hier allen voran die
sozialdemokratischen Abge-
ordneten – versuchen alles, um
Vorschläge der Kommission zu
entschärfen. So ist es durch den
Druck der Abgeordneten, aber
auch der Bürgerinnen und Bürger
gelungen, Kommissar Barnier dazu
zu bewegen, die Wasserversor-
gung aus der Konzessionsrichtlinie
auszunehmen. Wir werden auch
bei anderen Ideen der Kommission,
die in die falsche Richtung gehen,
sofort aufzeigen und uns vehement
dafür einsetzen, dass die Daseins-
vorsorge nicht Spielball des freien
Marktes wird.
Interview mit EuropaabgeordneteR Evelyn Regner
Warum Öffentliche Daseinsvorsorge?
Öffentliche Dienstleistungen (ÖDL) wie Bahnen, Wasserversorgung
erreichen Höchstwerte bei der Kundenzufriedenheit. Trotzdem ist
dieses gut funktionierende System durch Liberalisierung gefährdet.
Profiteure sind meist wenige transnationale Großkonzerne.
Fotos: SPÖ (1)
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