halb der Stadt- und Dorfzentren
konkurrieren. Die Verdrängung
der Lebensmittelmärkte durch
große Supermärkte (siehe
Grafik) ist in diesem Kon-
text zu sehen. Dieser Prozess
wäre ohne ein verändertes
Mobilitätsverhalten nicht
möglich gewesen. Das Auto
ist Grundvoraussetzung für die
Erreichbarkeit der großen Su-
permärkte und ermöglicht erst
den Transport großer Einkaufs-
mengen. Damit begünstigt das
veränderte Mobilitätsverhalten
die Verbreitung von „Lebens-
mittel-Wüsten“ – Gebieten, in
denen der Zugang zu frischen
Lebensmitteln fehlt – und
macht das Einkaufen nur mehr
mit dem Ausstoß von Schad-
stoffen möglich.
Flexibilisierung
der Arbeitszeit
Der Konsum von Fertigpro-
dukten wird auch noch durch
eine andere Tendenz begüns­
tigt. Der Anteil der industriell
verarbeiteten Produkte an den
gekauften Lebensmitteln liegt
bei der Hälfte der Österreicher­
Innen bei mindestens zehn
Prozent. Bei jedem Fünften
sind es mindestens 30 Pro-
zent verarbeitete Produkte.
Beachtlich ist, dass die Wahr-
scheinlichkeit, dass jemand
vorverarbeitete Produkte kon-
sumiert, mit dem Alter sinkt
und mit dem Bildungsniveau
steigt. Mit der tatsächlich
gearbeiteten Zeit hingegen
kann kein Zusammenhang
nachgewiesen werden. Wozu
sind Fertigprodukte dann da?
Der wahre Vorteil von Fer-
tigprodukten lässt sich erst in
ihrem Wert für das alltägliche
Zeitmanagement erkennen. In
einer Welt, in der durch die Zu-
nahme an Werkverträgen und
prekären Arbeitsverhältnissen
die Flexibilität der Arbeitszeit
steigt, ist es für Familie und
Bekannte von entscheidender
Bedeutung, die freien Zeitfen-
ster untereinander abstimmen
zu können. Fertigprodukte er-
lauben es durch ihr ständiges
“Zurverfügungsein“ Zeit für
soziale Aktivitäten zu schaf-
fen. Kurz: Ob jemand Fer-
tigprodukte konsumiert oder
nicht, hat weniger mit Faulheit
als mit der Flexibilität der Ar-
beitszeit zu tun.
Mit der geschlechtlichen
Arbeitsteilung, Mobilität und
Flexibilisierung der Arbeitszeit
sind nur drei Bereiche ange-
sprochen, die wesentlichen
Einfluss auf den Lebensmit-
telkonsum ausüben, doch in
der Debatte um nachhaltigen
Konsum völlig untergehen.
Unabhängig vom Gegenstand
ist im Kontext der Nachhal-
tigkeit aber die Berücksichti-
gung der Auswirkungen einer
Entwicklung oder Maßnahme
auf scheinbar unabhängige Be-
reiche essenziell. Damit ließen
sich Verantwortliche finden,
die in der gegenwärtigen Dis-
kussion ungenannt bleiben.
£
Leben
Lebensmittel in Österreich
Umfassende Informationen mit anschaulichen
Statistiken dazu finden sich im Bericht des Landwirt-
schaftsministeriums.www.bmlfuw.gv.at/publikatio-
nen/lebensmittel/Lebensmittel-zdf2011.html
Für etwa 50 Prozent der
Österreicher und Öster-
reicherinnen sind Freitag
und Samstag die belieb-
testen Einkaufstage für
Lebensmitteln.
Doch es gibt Anzeichen,
dass sich der bisherige
Trend in Richtung Wo-
chenendeinkäufe wieder
umkehrt. Vor allem zwei
Entwicklungen sprechen
dafür:
Auf der einen Seite
wird durch die höhere
Arbeitszeitflexibilität der
Unterschied zwischen
Arbeitstagen und Wo-
chenende langsam auf-
gelöst.
Auf der anderen Seite
werden Großeinkäufe
durch den enormen An-
stieg des Außer-Haus-
Konsums zunehmends
überflüssig.
Lebensmitteleinkauf
Weg vom Wochenende?
Wirtschaft & Umwelt 4/2014
Seite 31
Entwicklung der Anzahl an Lebens­
mittelgeschäften in Österreich
Ursache des „Greißlersterbens“ ist vor allem die Zunahme
von immer größeren Supermärkten (Hypermärkten) mit
Verkaufsflächen von mehr als 2.500m². Parallel hat sich die
Einkaufsfrequenz pro Jahr zwischen 2003/04 und 2012/13
von 164- auf 110-mal verringert. Die Menge pro Einkauf
stieg in der selben Zeit von 3,7 auf 4,4 kg.
Quelle: RollAMA, 2014
0
5.000
10.000
15.000
20.000
25.000
1960
23.859
20.130
13.716
9.989
6.656
5.626
1970
1980
1990
2000
2012
Quelle: AC Nielsen 2006, 2012
1...,21,22,23,24,25,26,27,28,29,30 32,33,34,35,36