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AK FÜR SIE 07–08/2014
Vielleicht wars
die Wohngegend
Überziehungsrahmen gestrichen, Kredit ver-
weigert, obwohl Sie gut verdienen? Bonitäts-
prüfungen kommen immer öfter zu falschen
Urteilen. Kontrollen und Regeln gibt es kaum.
Glabuen Datenschutz
M
artin Bolkovac hat ein gutes
regelmäßiges Einkommen,
lebt im Reihenhaus in der Nä-
he des Rennbahnwegs und
neigt nicht zum Schulden-
machen. Deshalb staunte er nicht schlecht,
als der Brief von American
Express kam: Kreditkarten-
antrag abgelehnt. Auf seine
Rückfrage hieß es: „Es
könnte an Ihrer Wohnge-
gend liegen.“ Die werde bei
der Bonitätsprüfung, also
der Bewertung der Zah-
lungsfähigkeit miteinbezogen. Martin Bol-
kovac ließ nicht locker und wehrte sich,
auch mit Unterstützung der AK. Schließlich
lenkte American Express ein, die Ge-
schäftsführung selbst entschuldigte sich
und inzwischen hat er die Kreditkarte. Alles
sei ein Irrtum. Dass die Wohngegend eine
Rolle spiele, sei eine Fehlinformation. „Bei
mir bleiben da Zweifel. Die Auskunft beim
Kreditschutzverband war nämlich positiv.
Ich bin sehr gespannt, wie zukünftige Anträ-
ge aus meinem Viertel behandelt werden!“,
sagt Bolkovac.
„Die meisten Leute wis-
sen gar nicht, in welchem
Aus-maß ihre Daten zur
Bonitätsbewertung gesam-
melt werden“, sagt die Lei-
terin der AK Abteilung Kon-
sumentenpolitik, Gabriele
Zgubic. Dass Banken, Kreditkarten-Unter-
nehmen, Versandhändler, Zahlungsdienst-
leister oder Telekommunikationsunter-
nehmen die Bonität ihrer Kundschaft
prüfen, gehört zum Geschäft. Aber inzwi-
schen ermöglicht die Computertechnik
das schnelle Sammeln, Zusammenführen
und Auswerten riesiger Datenmengen.
Und so werden immer mehr und immer
wahlloser Daten über Kundinnen und Kun-
den gesammelt und immer mehr Daten
über alle möglichen Lebensumstände flie-
ßen in die Bonitätsprüfung ein.
Am Ende steht oft nur noch eine einzi-
ge Zahl, die Auskunft über Ihre Zahlungs-
fähigkeit geben soll: „Credit-Scoring“
nennen das die Fachleute. Eine deutsche
Wirtschaftsauskunftei etwa vergibt Mi-
nuspunkte. Nur wer bis zu 149 Punkte
hat, hat eine „ausgezeichnete Bonität“.
Fehlerquote 45 Prozent
„Ähnlich werden inzwischen auch Privat-
personen eingeschätzt“, sagt Jaro Sterbik-
Lamina vom Institut für Technikfolgen-Ab-
schätzung. Er hat in einer aktuellen Studie
im Auftrag der AK das „Credit-Scoring“ in
Österreich untersucht und kommt zu be-
unruhigenden Ergebnissen: Bei der Beur-
teilung, ob jemand einen Kredit bekommt,
wird geschaut: Wo wohnt dieser Mensch?
„Die meisten wissen
nicht, in welchem
Ausmaß ihre Daten
gesammelt werden.“
Gabriele Zgubic,
AK Abteilung
Konsumentenpolitik
Fotos: Thomas Lehmann
Unfaire Bewertung Ihrer Bonität
Fragen Sie nach, wer welche Infos über Sie verbreitet.
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„Sie müssen darüber informiert werden,
wenn Sie in Negativlisten oder Warnlisten von
Kreditschutzverbänden aufgenommen worden sind“, sagt AK Datenschutzexpertin Daniela Zimmer.
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Auch wenn eine Bank, ein Zahlungsdienstleister oder eine Versicherung Sie ablehnt:
Fragen Sie nach: Warum bin ich abgelehnt worden? Welche Auskunftsdatei hat diese Infos geliefert?
Sie haben einen Rechtsanspruch auf Auskunft, welche Daten über Sie gespeichert sind. Auf die
Bonitätsbewertung haben Sie wenig Einfluss. Sie sollten aber Ihren Standpunkt einbringen.
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Forschen Sie auch bei der Auskunftei nach:
Auch hier gibt es einen Rechtsanspruch auf
Auskunft, Richtigstellung und unter Umständen auch auf Löschung.
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Wenn falsche Daten über Sie im Umlauf sind:
Verlangen Sie eine Richtigstellung. Informie-
ren Sie die Bank, den Zahlungsdienstleister oder die Versicherung, die sie abgelehnt haben.
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Beratung und Hilfe bieten:
die AK unter wien.arbeiterkammer.at/konsument, der VKI unter
die Schuldnerberatung unter
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