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AK FÜR SIE 03/2017

7

D

erzeit vergeht kein Tag

ohne Wehklagen und

Jammern der Wirtschafts-

vertreter: die hohe Abgabenlast,

die hohen Löhne, ein nicht mehr

leistbares Pensionssystem, der

Vollkasko-Sozialstaat ... Für den

Standort sei „abgesandelt noch ein

Hilfsausdruck“.

Wunsch und Wirklichkeit

Notwendig, so die Wirtschafts-

vertreter, wäre: ein 12-Stunden-

Arbeitstag, ohne Zuschläge, Pen-

sionen kürzen, Lohnzurückhaltung,

Sozialstaat und Abgabenniveau

runter. Sonst sei es mit der Wett-

bewerbsfähigkeit in der globalisier-

ten Wirtschaft vorbei.

Doch wie sieht es mit den Fakten

aus? Ein Beispiel: Der Export lag

2016 bei 53 Prozent der Wirt-

schaftsleistung, beim EU-Beitritt

1995 bei 33 Prozent. Laut Statistik

lag die Produktion der im inter-

nationalen Wettbewerb stehenden

Industrie im Dezember 2016 in Ös-

terreich um 14 Prozent über dem

Wert des Jahres 2010, in Deutsch-

land um 7 Prozent.

Mehr Selbstvetrauen!

Die Fakten schauen also nicht ge-

rade nach abgesandeltem Standort

aus. Die österreichische Wirtschaft

steht im internationalen Vergleich

gut da. Gleichzeitig ist der Sozi-

alstaat einer der besten der Welt

und trägt wesentlich zum wirt-

schaftlichen Erfolg bei. Er gibt Si-

cherheit, stabilisiert die Wirtschaft

und ermöglicht Innovation.

Nicht Krankjammern, sondern

Selbstvertrauen auf Basis wirt-

schaftlicher und sozialer Erfolge

ist die beste Voraussetzung für

die Bewältigung der

Herausforderungen der

Globalisierung.

Alles abgesandelt – oder was?

Wirtschaft

klipp&klar

Markus Marterbauer

AK Wien, Leiter Abteilung

Wirtschaftswissenschaft und Statistik

Mehr auf

21.000 Plätze fehlen

Österreich braucht eine weitere Ausbauoffensive bei Kinder-

gärten, damit es genügend Betreuungsplätze gibt.

E

s kann sehr frustrierend sein. Denn

einen Kinderbetreuungsplatz zu

finden, der zu den eigenen Arbeits-

zeiten passt und an dem man das

Kind gut versorgt weiß, ist alles andere als

einfach. „In Österreich fehlen nach wie vor

zahlreiche Kinderbetreuungsplätze“, sagt

Ingrid Moritz, Leiterin der Abteilung Frauen

und Familie in der Arbeiterkammer Wien.

Ihre Abteilung hat nachgerechnet: Allein

bei den unter Dreijährigen sind es 21.000

Plätze. Erst wenn es diese gebe, sei das

sogenannte Barcelona-Ziel, nämlich für

mindestens ein Drittel der Kinder unter

drei Jahren einen Betreuungsplatz zur Ver-

fügung zu stellen, erreicht.

„Daher sollte es weiter eine Anstoßfi-

nanzierung für den Ausbau der Kinderbe-

treuung geben“, fordert Ingrid Moritz. Laut

Plan würde diese Finanzierung heuer en-

den. Eine weitere Forderung der AK: Auch

die bisher nicht abgeholten Mittel aus der

Ausbauoffensive sollten weiterhin für Kin-

derbetreuungsplätze zur Verfügung stehen.

Damit es möglichst viele qualitativ hochwer-

tige Plätze gibt, sollte die im Finanzaus-

gleich vereinbarte Aufgabenorientierung so

schnell wie möglich umgesetzt werden.

Derzeit haben nur drei von zehn Kindern

unter sechs Jahren in Österreich einen Be-

treuungsplatz, der mit einem 8-Stunden-Ar-

beitstag vereinbar ist. Kommen längere Ar-

beitszeiten für die Eltern, würde das die

Betreuungsprobleme noch vergrößern.

Ein Ausbau rechnet sich

Studien zeigen, dass die Schaffung von

qualitativ hochwertigen Kinderbetreuungs-

plätzen nicht nur den arbeitenden Eltern

hilft, sondern auch der Wirtschaft: Schon

nach einigen Jahren ist der finanzielle Nut-

zen für mehr und bessere Kinderbetreu-

ung für den Staat höher als die anfallen-

den Kosten.

M.K.

Für viele Eltern ist es schwierig, einen

Betreuungsplatz zu finden, der zum Kind

und den Arbeitszeiten passt

atis“

cht mit uns, sagt die AK.

der Betroffenen geht davon aus, dass

es überlange Arbeitszeiten nicht bis zur

Pension durchhalten kann, berichtet AK

Direktor Christoph Klein: „Da müssen

wir gegensteuern.“

Hintergrund der aktuellen Diskussi-

on über die Arbeitszeiten ist das neue

Programm der Bundesregierung. Sie

verlangt, dass sich Wirtschaftskam-

mer, Gewerkschaft und Arbeiterkam-

mer bis Ende Juni über Arbeitszeitflexi-

bilisierung einigen.

P.M.

Foto: picturedesk.com / dpa / Georg Wendt

Die Wirtschaft hätte

gern den 12-Stunden-

Tag bei Auftragsspit-

zen. Wenn, dann nur

mit Zuschlägen, wollen

Beschäftigte, AK und

Gewerkschaft