

Noch Fragen?
wien.arbeiterkammer.atAK FÜR SIE 11/2017
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ne Würstelstand-echt?
Die Digitalisierung, etwa durch Roboter, kostet die Hälfte der Jobs (links), und von Kriminalität
sind viele betroffen? Viele Horror-Zahlen lassen sich hinterfragen
Risiko, durch das Essen von Wurst zu ster-
ben, ist bescheiden.“
Wer keine Wurst isst, hat ein Risiko von
5 Prozent, an Darmkrebs zu erkranken.
WurstesserInnen müssen mit
einem Risiko von 5,9 Prozent
rechnen. Also beträgt der tat-
sächliche Anstieg nicht ein-
mal 1 Prozent mehr Risiko.
Nur die Differenz 0,9 ent-
spricht 18 Prozent von 5.
Noch ein Beispiel: Vor
ein paar Jahren geriet eine
neue Generation der Antibabypille in Ver-
ruf. Sie erhöhe laut ExpertInnen die Wahr-
scheinlichkeit einer verstopften Vene um
100 Prozent. Es folgte ein großer Aufruhr
unter ÄrztInnen. Was steckte tatsächlich
dahinter? Laut Studien erkrankte von
7.000 Frauen, welche die alten Pillen ein-
nahmen, eine einzige an Venenverstop-
fung. Bei der neuen Pille erhöhte sich die
Zahl auf zwei Frauen. Das Risiko hatte sich
also wirklich verdoppelt – aber auch hier
verliert die Meldung an Schrecken, wenn
man sich die Zahlen genauer ansieht.
Kritisch bleiben
Es mangelt oft daran, dass die Zahlen in kei-
nen Kontext gestellt werden und die Ver-
gleichsgrößen fehlen“, klärt Konrad Pesen-
dorfer, Generaldirektor der Statistik Austria,
auf. Seine Tipps, um irreführende Statistiken
zu entlarven und als LeserIn die Zahlen bes-
ser einschätzen zu können: „Man muss dar-
auf achten, aus welcher Quelle die Zahlen
stammen, und ob Informationen über ver-
wendete Methoden und Defi-
nitionen angegeben werden.“
Und: „Ist die Institution, die
dahinter steht, zur Objektivität
verpflichtet?“
Immer kritisch zu bleiben,
rät auch Iris Schwarzenba-
cher, AK Bildungsexpertin.
Dann könne man die Schlag-
zeile richtig interpretieren, wonach immer
mehr AkademikerInnen arbeitslos würden:
„Das stimmt grundsätzlich, aber Akademi-
kerInnen sind immer noch die Gruppe mit
der niedrigsten Arbeitslosenquote.“
Apropos Arbeitsmarkt: Auch die Hor-
rormeldung, dass die Hälfte der Arbeits-
plätze der Digitalisierung zum Opfer fällt,
lässt sich hinterfragen. Die Zahl stammt
aus einer Studie, für die nur zehn Compu-
terforscher interviewt wurden. Diese
schätzten für 70 Berufe, wie leicht sich
diese automatisieren lassen würden. Die
Studienautoren rechneten diese Schät-
zung dann auf 700 Berufe hoch...
Kriminalität anders
„Es dient der Dramatisierung, wenn man
große Einheiten verwendet“, weiß auch Ar-
no Pilgram vom Institut für Rechts- und
Kriminalsoziologie. Er zitiert die sogenann-
ten „Crime Clock Statistics“, die in den
USA verwendet werden, um Gewaltdelik-
te darzustellen. „Alle 26,3 Sekunden pas-
siert in den USA ein Gewaltdelikt“, heißt es
in dieser Statistik im Jahr 2015.
Nimmt man dafür eine andere Darstel-
lungsform und berücksichtigt, dass die
USA 320 Millionen EinwohnerInnen ha-
ben, ergibt sich ein anderes Bild. Pilgram:
„Jeder Dritte bis Vierte wird einmal in sei-
nem Leben Opfer eines Gewaltdelikts.
Oder anders gesagt: Gegen einen Be-
wohner richtet sich ein Gewaltdelikt ein-
mal in 267 Jahren.“
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MARKUS MITTERMÜLLER
Wie mit Grafiken getrickst wird
Angeblich lässt sich im Staat viel einsparen,
wenn bei den Verwaltungsausgaben gespart wird.
Wer das positiv darstellen will, zeigt den Prozentanteil der Verwaltungsausgaben vorne in einer
Torte. Vorn wirken sie größer, hinten kleiner – obwohl beide Segmente gleich groß sind.
„Es mangelt oft
daran, dass die
Vergleichsgrößen
fehlen.“
Statistik-Austria-Generaldirektor
Konrad Pesendorfer
über
angebliche Horror-Zahlen
Quelle: Eurostat, 2015, Daten in % der Gesamtausgaben, daher Gesamt = 100%
8,3
%
8,3
%
Verwaltungs-
ausgaben
Verwaltungsausgaben
Optische Täuschung
beide Segmente
sind gleich groß