Zusammengefasst
Yilmaz Kadir stammt aus einfa-
chen Verhältnissen und hat mit
Improvisation und Herz ein
Kaminbau-Unternehmen auf-
gebaut. Seine Belegschaft
setzt sich aus vielen unter-
schiedlichen Nationalitäten
zusammen. Kadir zahlt über
dem Kollektivvertrag, verlangt
aber auch viel Engagement
von seinen Leuten. Doch seine
Branche leidet unter Schwarz-
arbeit und unseriösen Billig­
anbietern.
wien.arbeiterkammer.at/meinestadt
AK Stadt · Seite 14
A
ls er mit seiner Familie von Mittelanato-
lien nach Wien übersiedelte, war Yilmaz
Kadir gerade Mal 13 Jahre alt. „Ich habe
damals kein Deutsch verstanden“, erzählt
Kadir. Zwei Jahre danach brach Kadir seine
Schlosserlehre ab, weil er nicht verstand,
was die Berufsschullehrer unterrichteten.
„Ich war handwerklich sehr gut, bin aber mit
dem Unterricht nicht mitgekommen.“ Heute,
gut 20 Jahre später, führt Yilmaz Kadir ein
Kaminbau-Unternehmen mit 17 Arbeitneh-
merInnen.
Seine Firma hat er 2006 gegründet. Zu
Beginn war er alleine und hatte „wenig bis
keine Mittel.“ Mit den Einnahmen seines
ersten Auftrags mietete er einen Lagerplatz
– einen Raum von 60 Quadratmetern. Als ein
Kunde binnen einer Stunde in Kadirs „Büro“
vorbeikommen wollte, um etwas zu bespre-
chen, bekam der Jungunternehmer einen
Schreck. Er musste schnell improvisieren,
kaufte einen Tisch aus einem benachbarten
Copyshop, ein altes Sofa und einen Vor-
hang, damit der Kunde nicht direkt ins Lager
sehen konnte. Innerhalb einer dreiviertel
Stunde hatte er sein Büro eingerichtet. „Ich
musste nur noch den Staub weg kehren.“
Der Anfang war hart, im ersten Winter gab
es im Büro nicht einmal eine Heizung – Kadir
erzählt es aber mit einem gewissen Stolz.
Langsam wuchs sein Unternehmen. „Bei
uns spielt die Nationalität keine Rolle. Es gibt
REPORT: MIGRANTISCHES UNTERNEHMERTUM
Herr Yilmaz sorgt für wohlige
Wärme in Wiens Häusern
Kleinunternehmer Yilmaz Kadir schuf sich seinen Kaminbau-Betrieb fast ohne
finanzielle Mittel. Mit seinen gut ausgebildeten Mitarbeitern kämpft er gegen
Billigfirmen und schwarze Schafe in der Branche.
Von Christian Resei
Ungarn, Polen, Türken, Slowaken und Öster-
reicher in der Belegschaft. Meine Mitarbeiter
sollen die Arbeit mit Herz machen oder es
lassen“, erklärt Kadir. „Jeder kann Fehler ma-
chen, Probleme gibt es aber, wenn jemand
nicht will oder bei der Arbeit nachlässig ist.“
Lernen im Job
Thomas Osos ist einer von Kadirs Beschäf-
tigten. Er ist Kundenbetreuer für Wien und
Niederösterreich, bei einem Kaminbau-
Betrieb finden die Besichtigungen freilich
öfter am Dach statt. „Ich bin schwindelfrei
und auch im Winter gerne draußen. Nur im
Büro würde ich versauern.“ Seit September
letzten Jahres arbeitet der gelernte Vulkani-
seur in der Firma, zuvor hat er lange Jahre
am Bau verbracht. „Ich habe zwar gewusst,
wie man Häuser errichtet und zwei, drei Ka-
mine schon selber gebaut, aber vom Fach
war ich nicht.“ Diese Kenntnisse musste er
sich im neuen Betrieb schnell aneignen. Mit
den Monteuren ist Thomas Osos auf die
Baustelle gegangen und hat mitgear-
à
Mit 13 Jahren kam
Yilmaz Kadir aus Mittel­
anatolien nach Öster-
reich. Heute hat er einen
Kamin­bau-Betrieb
Fotos:Fielhauer (2),SaschaBüchi (3)
Thema
Migrantische
Ökonomie
Klein- und Kleinstbetriebe
der migrantischen Betriebe sind Einzelunter-
nehmen. Herr Kadir gehört zu den 9%, die zwi-
schen 5 und 19 MitarbeiterInnen haben. 23%
beschäftigen bis zu vier ArbeitnehmerInnen,
nur 1% hat 20 oder mehr Beschäftigte.
67 Prozent
Mag Christian Resei
studierte Politikwis-
senschaft und ist als
freier Journalist tätig.
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