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Seite 28

Wirtschaft & Umwelt 1/2015

E

ines der am heftigsten um-

strittenen Themen in den Ver-

handlungen der EU mit den USA

über das Freihandelsabkommen

TTIP ist das Konzernprivileg,

Staaten in Umgehung nationaler

Gerichte unmittelbar vor einem

privaten Ad-hoc-Schiedsgericht

verklagen zu können. Dank mas-

siver Kritik und Öffentlichkeitsar-

beit von Gewerkschaften und Zi-

vilgesellschaft ist die öffentliche

Meinung zu den Schiedsgerich-

ten verheerend und das Inves-

tor-Staat-Streitschlichtungsver-

fahren (ISDS) wird grundsätzlich

hinterfragt. Weniger bekannt

aber ist, dass die privilegierten

Klagsrechte transnationaler Un-

ternehmen bereits heute gang

und gäbe sind.

Seit den späten 1980er Jah-

ren ist ISDS fixer Bestandteil von

bilateralen Investitionsschutz-

abkommen (BITs) zwischen

dem globalen Norden und dem

globalen Süden. Rund 3.000

BITs sind in Kraft. Und ISDS in

seiner Investor-freundlichsten

Form ist Bestandteil der Ener-

giecharta. Diese wurde 1994 von

53 Staaten unterzeichnet und

regelt neben der Förderung der

Effizienz von Energiemärkten

auch die Lösung von Streitfällen

zwischen – im Fall von auslän-

dischen Investitionen – den In-

vestoren und den Gastländern.

Österreich hat 62 BITs mit Trans-

formations- und Entwicklungs-

ländern wie Kasachstan, China,

Polen, Tschechien, etc. sowie

die Energiecharta – wie alle EU-

Mitgliedstaaten – unterzeichnet.

Die in der Energiecharta wie

auch diversen BITs vorgesehe-

nen Investitionsschutzbestim-

mungen gehen weit über den

verfassungsrechtlichen Schutz

des Eigentums für inländische

Unternehmen und BürgerInnen

hinaus. Entschädigungszahlun-

gen sind auch bei staatlichen

Maßnahmen, die ähnlich wie

*

Mag. Elisabeth Beer

ist

Ökonomin und Mitarbeiterin

der Abteilung EU & Internatio-

nales der AK Wien.

Umweltschutz: Konzern-

klagen gegen Staaten

Die Investor-Staat-Schiedsgerichtspraxis zeigt, dass die Sonder-

klagsrechte multinationaler Konzerne, Staaten direkt zu verklagen,

systematisch als Abwehr- und Abschreckungsinstrument gegen

neue gesetzliche Maßnahmen auch im Umweltbereich verwendet

werden.

VON Elisabeth Beer*

Politik

Kurzgefasst

Investor-Staat-Klags-

rechte sind zu einem

machtvollen Instrument

für Konzerne geworden,

um gegen ihnen unlieb-

same Regulierungen

vorzugehen. Das System

ist aus den Fugen

geraten. Es schränkt die

Regulierungsautonomie

ein, unterläuft zentrale

rechtsstaatliche Prinzipi-

en und stößt auf immer

mehr Ablehnung.

Die Investor-Staat-Klagsrechte

unterlaufen die rechtsstaatlichen

Prinzipien.

Fotos: istockphoto.com/Joe_Potato (1), Gewerkschaft Pro-GE (1)