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Wirtschaft & Umwelt 1/2015
E
ines der am heftigsten um-
strittenen Themen in den Ver-
handlungen der EU mit den USA
über das Freihandelsabkommen
TTIP ist das Konzernprivileg,
Staaten in Umgehung nationaler
Gerichte unmittelbar vor einem
privaten Ad-hoc-Schiedsgericht
verklagen zu können. Dank mas-
siver Kritik und Öffentlichkeitsar-
beit von Gewerkschaften und Zi-
vilgesellschaft ist die öffentliche
Meinung zu den Schiedsgerich-
ten verheerend und das Inves-
tor-Staat-Streitschlichtungsver-
fahren (ISDS) wird grundsätzlich
hinterfragt. Weniger bekannt
aber ist, dass die privilegierten
Klagsrechte transnationaler Un-
ternehmen bereits heute gang
und gäbe sind.
Seit den späten 1980er Jah-
ren ist ISDS fixer Bestandteil von
bilateralen Investitionsschutz-
abkommen (BITs) zwischen
dem globalen Norden und dem
globalen Süden. Rund 3.000
BITs sind in Kraft. Und ISDS in
seiner Investor-freundlichsten
Form ist Bestandteil der Ener-
giecharta. Diese wurde 1994 von
53 Staaten unterzeichnet und
regelt neben der Förderung der
Effizienz von Energiemärkten
auch die Lösung von Streitfällen
zwischen – im Fall von auslän-
dischen Investitionen – den In-
vestoren und den Gastländern.
Österreich hat 62 BITs mit Trans-
formations- und Entwicklungs-
ländern wie Kasachstan, China,
Polen, Tschechien, etc. sowie
die Energiecharta – wie alle EU-
Mitgliedstaaten – unterzeichnet.
Die in der Energiecharta wie
auch diversen BITs vorgesehe-
nen Investitionsschutzbestim-
mungen gehen weit über den
verfassungsrechtlichen Schutz
des Eigentums für inländische
Unternehmen und BürgerInnen
hinaus. Entschädigungszahlun-
gen sind auch bei staatlichen
Maßnahmen, die ähnlich wie
*
Mag. Elisabeth Beer
ist
Ökonomin und Mitarbeiterin
der Abteilung EU & Internatio-
nales der AK Wien.
Umweltschutz: Konzern-
klagen gegen Staaten
Die Investor-Staat-Schiedsgerichtspraxis zeigt, dass die Sonder-
klagsrechte multinationaler Konzerne, Staaten direkt zu verklagen,
systematisch als Abwehr- und Abschreckungsinstrument gegen
neue gesetzliche Maßnahmen auch im Umweltbereich verwendet
werden.
VON Elisabeth Beer*
Politik
Kurzgefasst
Investor-Staat-Klags-
rechte sind zu einem
machtvollen Instrument
für Konzerne geworden,
um gegen ihnen unlieb-
same Regulierungen
vorzugehen. Das System
ist aus den Fugen
geraten. Es schränkt die
Regulierungsautonomie
ein, unterläuft zentrale
rechtsstaatliche Prinzipi-
en und stößt auf immer
mehr Ablehnung.
Die Investor-Staat-Klagsrechte
unterlaufen die rechtsstaatlichen
Prinzipien.
Fotos: istockphoto.com/Joe_Potato (1), Gewerkschaft Pro-GE (1)