Jährlich sterben mindestens 25.000 Menschen in Europa
aufgrund von Infektionen mit resistenten Keimen, gegen
die Antibiotika machtlos sind, schätzt die EU-Kommission.
Verursacht werden diese Resistenzen durch unzurei-
chende Hygiene und falsche Antibiotikaanwendung bei
Mensch und Tier. Eine zu häufige Anwendung in der
Landwirtschaft ist Teil des Problems. Untersuchungen in
Deutschland haben bestätigt: antibiotikaresistente Keime
treten besonders häufig in Regionen mit großen Tierbe-
ständen auf.
Bis zum Jahr 2006 wurden in der EU Antibiotika prophy-
laktisch und als Mastbeschleuniger verwendet. Seither
sollten eigentlich nur mehr kranke Tiere nach einer fach-
lichen Diagnose behandelt werden. Eine gezielte Einzel-
tierbehandlung würde die Anwendungsmenge drastisch
senken. Doch wenn ein Tier erkrankt, werden oft alle Tiere
im selben Stall „mitgefüttert“. Gerade in Österreich wer-
den beachtliche Mengen an Antibiotika über das Futter
oder die Tränke verabreicht.
Problemlösung bedeutet den Hebel an den Ursachen an-
setzen: weniger Hochleistungszucht, dafür mehr Berück-
sichtigung der Tiergesundheit und Stressstabilität in der
Züchtung; bessere Haltungsbedingungen (mehr Platz, viel
Luft, kein Turbofutter, kleine Bestandseinheiten), weniger
Stress für die Tiere. Politisch gegensteuern wäre schon
lange möglich gewesen: nur besonders tierfreundliche
Ställe zu fördern, ist eine langjährige Forderung der AK.
Doch gefördert wurde alles, was noch gesetzeskonform
war. Handelskonzerne sind bisher zurückhaltend mit ihren
Forderungen an die Fleischbranche. KonsumentInnen wis-
sen nicht, wieviel Antibiotika für ihr Schnitzel verwendet
wurde. Gütezeichen oder Markenprogramme geben keine
Auskunft darüber. Mehr Transparenz würde den Antibioti-
kaeinsatz senken.
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www.ak-umwelt.atSeite 32
Wirtschaft & Umwelt 2/2015
Kontoverse
Pro
DI Maria Burgstaller
Con
DI Adolf Marksteiner
Antibiotika in der Tiermast: großer Handlungsbedarf?
Zu häufige Anwendung kann töd-
lich sein – Antibiotika nicht als
Regelfall, sondern als Ausnahme!
Resistenzen sind global ein kom-
plexes Problem – an gezieltem
Antibiotika-Einsatz arbeiten wir.
„Am Uniklinikum Kiel in Deutschland starben Ende
2014 mehrere Patienten an multiresistenten Keimen,
14 weitere wurden isoliert. Nach Fernreisen sind rund
30 % der Reisenden infiziert, zudem mehr als 70 % der
Indienreisenden und fast 50 % der Südostasien-Reisen-
den.“ (Spiegel 1/15). Aus dem global freien Personen-
und Warenverkehr (z.B. via Tiefkühllebensmittel) entsteht
ein riesiges Problem: resistente Keime werden ein-
und weiterverschleppt, bis in die Ställe. Keime kennen
keine Grenzen, die gefürchtete Geflügel- oder Schwei-
negrippe wird etwa durch Zugvögel eingeschleppt.
Antibiotikaresistenzen entstehen auch in Europa. Das
liegt am zu häufigen oder falschen Antibiotikaeinsatz
beim Menschen, allerdings auch am Gebrauch von
Tierarzneimitteln. In der EU-Tierhaltung gibt es keine
standardmäßige Verfütterung von Antibiotika mehr – im
Gegensatz zu Süd- und Nordamerika sowie Asien. Die
Landwirtschaft ist bereit zu sinnvollen Strategien für
weitere Senkungen.
Der Verbraucher ist uns wichtig: Tiergesundheitsdienste,
Regionalität und Qualität sind die Antworten. Ein krankes
Tier hat – genauso wie jeder Mensch – ein Recht auf Be-
handlung. In Österreich darf nur der Veterinär Tierarznei
mittel verschreiben, die Anwendung ist zu dokumentie-
ren. Dies ist in vielen anderen Staaten nicht so! Neue
Ställe bedeuten auch mehr Frischluft, optimales Klima für
Schweine- und Geflügel, beste Futtermittel. Regelmäßige
Tierbestandskontrollen und
Tiergesundheitsdienste helfen über gesunde Tiere
Kosten zu sparen, besonders in der Schweine- und
Geflügelhaltung – die Warenrückverfolgbarkeit ist dazu
immer ein Thema. Auf den oft höheren österreichischen
Standard in Tierhaltung und Verarbeitung achtet z.B. das
AMA-Gütesiegel für Fleisch und Wurstwaren.
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*DI Maria Burgstaller
ist
Agrarökonomin und Mitarbeite-
rin der Abteilung Wirtschaftspo-
litik der AK Wien.
*DI Adolf Marksteiner
ist Agra-
rökonom und Leiter der Abteilung
Marktpolitik der Landwirtschaftskam-
mer Österreich.