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Wirtschaft & Umwelt 4/2015
brauch: 4,1 l/100 km bei Benzinern bzw. 3,6
l/100 km bei Diesel-Pkw) . Zwischen 2015
und 2021 muss also ein Hersteller seinen
CO
2
-Ausstoß um 27 Prozent reduzieren.
Für jedes Gramm CO
2
-Überschreitung wer-
den 95 Euro als Pönale fällig. Weil Autos in
den letzten Jahren augenscheinlich nicht
unbedingt an Gewicht, Größe und Mo-
torstärke abgenommen haben, erreichen
Hersteller die CO
2
-Ziele über konsequen-
tes Ausnützen von Schlupflöchern beim
Prüfzyklus, so der hartnäckige Verdacht.
Dieser ist die EU-rechtliche Voraussetzung
für die Typisierung von Pkw und des Norm-
verbrauchs, der vom Hersteller gegenüber
den KonsumentInnen ausgewiesen werden
muss. Aber auch Steuerregelungen und
Förderungen (z.B. Verschrottungsprämie)
in den EU-Mitgliedstaaten referenzieren
darauf.
Der „flexible“ Prüfstand
Dieser Prüfzyklus (Neuer Europäischer
Fahrzyklus/NEFZ) gilt gemeinhin als bedingt
tauglich für die Abbildung von realen Fahrge-
gebenheiten (z.B. Autobahngeschwindigkeit
von 120 km/h, niedriges Beschleunigungs-
verhalten), auch aufgrund legaler Schlupf-
löcher für die Autohersteller (z.B. erhöhter
Reifendruck für minimierten Rollwiderstand,
auf 30 Grad vorgewärmter Motor, Abschal-
ten der Lichtmaschine, etc). Dies erklärt
laut UBA auch den Unterschied zwischen
dem offiziellen durchschnittlichen CO
2
-
Ausstoß von 132 g CO
2
/km der 2013 neu
zugelassenen Pkw in Österreich und dem
tatsächlichen Durchschnitt von 167g CO
2
/
km. Andere Studien (ICCT) können aufgrund
von Verbraucherdatenbanken nachweisen,
dass diese Lücke im Zeitraum 2001 bis 2015
rasant größer geworden ist. Demnach sind
nur zwei Drittel aller angegebenen CO
2
-
Einsparungen wirklich, das andere Drittel ist
dagegen nur auf dem Papier erzielt worden.
Für Österreich liegen erstmals robuste Daten
über die größer werdende Lücke vor (siehe
Kasten Seite 29).
Abhilfe soll der neue Prüfzyklus World-
wide harmonized Light vehicles Test Pro-
cedures (WLTP) schaffen, der ab 2017
zwingend für die Pkw-Typisierung in der
EU, China und Indien vorgesehen ist. Strit-
tig daran ist, ob eine Außentemperatur
von 22 Grad oder – für Europa und seine
Autofahrer verbrauchsrealer –14 Grad
herangezogen wird. Weil Autoherstel-
lerInnen in der EU die CO
2
-Vorgaben für
2015 und 2021 dank NEFZ und diverser
„Schlupflöcher“ bequem erreichen, ist die
Einführung des WLTP mit einer „Konversi-
onsverordnung“ junktimiert, die den Auto-
herstellerInnen ihre „erworbenen Rechte“
sichert. Im Gefolge des VW-Skandals dürf-
ten gewisse EU-Mitgliedstaaten allerdings
schwerer ihre Widerstände aufrechterhalten
können.
So unterschiedlich gewisse Praktiken am
Pkw-Prüfstand im Labor, abweichende NOx-
und CO
2
-Emissionen bzw. Treibstoffverbräu-
che im Realbetrieb sein mögen, eines wurde
deutlich: im Vergleich zu den USA sind die
Regulierung und der Vollzug von Vorschriften
in der EU erbärmlich. Europa ist bei den Be-
hörden hinsichtlich Ressourcenausstattung,
Kontrolldichte und Organisationsstruktur
so schlank, dass sie praktisch nur auf dem
Papier existieren und im Binnenmarkt „freie
Fahrt“ für Automobilhersteller vorherrscht.
In Europa geben Autohersteller ein Autoex-
emplar ihrer Wahl in ein Prüflabor ihrer Wahl,
das wirtschaftlich in einem Abhängigkeits-
verhältnis steht und in einem Gutachten die
Einhaltung des Prüfzyklus bestätigt. Mit die-
sem Gutachten als Basis stellt eine nationale
Behörde eine Typisierung für den gesamten
Binnenmarkt aus, ohne es in der Praxis zu
prüfen. Behörden in anderen Mitgliedstaaten
können zwar jederzeit die Konformität dieses
Pkw untersuchen, tun es aber nicht, weil es –
erraten – ihnen an Personal und Ressourcen
fehlt. Das US-System beruht vereinfacht auf
Grenzwerten, die auch abseits vom Testlabor
im Realbetrieb eingehalten werden müssen.
Hersteller zertifizieren ihre Grenzwerte selbst
und müssen im Gegenzug damit rechnen,
dass die Umweltbehörde die Abgaswerte bei
einem willkürlich ausgewählten Pkw aus der
Fabrik und nach der Zulassung überprüft.
Vehementes Lobbying auf EU-Ebene und
in den Mitgliedstaaten hat bewirkt, strengere
Abgaswerte und Kontrollsysteme seit den
1990er Jahren zu verhindern, zu verwäs-
sern und zu verzögern. Die Lobbyausgaben
der Automobilkonzerne und ihrer Verbände
in Brüssel und deren ExpertInnen in Ar-
beitsgruppen der Kommission haben dies
unter dem Deckmantel der technischen Ex-
pertise bewirkt. Deswegen bedarf es mehr
an Transparenz, Beteiligung vonUmwelt- und
KonsumentenvertreterInnen und eine bes-
sere Ressourcenausstattung bei öffentlichen
Behörden.
£
Politik
Unser Standpunkt
Für strengere Abgas-Kontrollsysteme
¢
Neuen EU-Prüfzyklus (WLTP) schnell einführen
¢
Reale Emissionen und Fahrbedingungen berücksichtigen
¢
Die Behörde bestimmt Prüflabor und Test-Pkw,
nicht der Pkw-Hersteller
¢
Kontrolle der Herstellerangaben auch nach
Pkw-Zulassung
Hersteller erreichen die CO
2
-Ziele über
konsequentes Ausnützen von Schlupflöchern
beim Prüfzyklus
Fotos: iStock/rrodrickbeiler (1), Schuh (1)