*Dr. Cornelia Mittendorfer
ist Juristin und Mitarbeiterin
der Abteilung Umwelt &
Verkehr in der AK Wien.
esser kann ein Gesetzgeber eigentlich kaum ausdrü-
cken, dass er etwas nicht will, nämlich die neue Be-
teiligung der Umwelt-NGOs im UVP-Feststellungs-
verfahren. Immer wieder orten Projektkritiker Verstöße gegen
Unionsrecht, vor allem bei Großprojekten wie Anlagen zur
Ener­gieversorgung, hochrangigen Verkehrsprojekten oder
Flughafenausbauten. Tatsächlich ist Österreich wiederholt, so
auch jetzt, mit Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommis-
sion zur UVP-Richtlinie konfrontiert. Im Feststellungsverfah-
ren, in dem es darum geht, ob ein Projekt oder eine Projek-
tänderung UVP-pflichtig ist oder nicht, hatten Umwelt-NGOs
keine Rechte, so ein Kritikpunkt der Kommission.
Dieser Kritik begegnet der Gesetzgeber nun mit einer Kon-
struktion, die – freundlich ausgedrückt – hohen Neuigkeitswert
hat, nämlich mit einer Rechtsmittelbefugnis ohne Verfahrens-
parteistellung für den Fall, dass gar keine UVP durchzuführen
ist. Gegen die Feststellung, dass nur ein vereinfachtes UVP-
Verfahren durchzuführen ist, gilt auch das nicht.
Eine Umwelt-NGO kann nun binnen vier Wochen (bei
hochrangigen Verkehrsprojekten binnen sechs Wochen) ab
Kundmachung des Bescheides auf der Website der UVP-Be-
hörde einen Überprüfungsantrag an den Umweltsenat stellen,
muss aber genau die als verletzt erachteten Gesetzesstellen be-
zeichnen und das begründen. Da sie ohne Parteistellung nicht
zu dem Verfahren geladen wird, muss sie laufend, am besten
im Wochenabstand, die Websiten der UVP-Behörden durch-
forsten und kann sich nur auf das beziehen, was im Bescheid
drinnen steht. Akteneinsicht hat sie nicht, Fragerecht auch nicht
und eine unmittelbare Wahrnehmung schon gar nicht. Der An-
trag hat übrigens auch keine aufschiebende Wirkung und ge-
gen die Entscheidung des Umweltsenates kann die NGO nicht
berufen – die Standortgemeinde ist vielleicht schon längst beim
Verwaltungsgerichtshof. An der fehlenden Rechtsstellung von
betroffenen Nachbarn ändert das im Übrigen gar nichts.
Ein umsichtiger Gesetzgeber würde ein Instrument, das im
Spannungsfeld großer finanzieller Interessen und erheblicher
öffentlicher sowie privater Schutzinteressen dem ordentlichen
Abarbeiten von Umweltargumenten und dem Rechtsfrieden
dienen sollte, nicht wie ein Hindernisrennen aufbauen, bei dem
das Straucheln schon einkalkuliert ist. Er würde auch verste-
hen, dass der Patient dort behandelt werden soll, wo es drückt.
Wenn sich Feststellungsverfahren als zu lang, zu tief, zu breit
erweisen, dann sollte man die Verfahren verbessern oder redu-
zieren. Eine Rechtsmittelbefugnis wie diese darf aber bis zum
Beweis des Gegenteils als Quasi-Befugnis bezeichnet werden.
Ebenso steht es mit der sogenannten „freiwilligen UVP“, die
keine freiwillige ist, sondern lediglich einen behördlichen
Prüfschritt abkürzen kann.
Ich halte viel von qualitätsvoller Öffentlichkeitsarbeit. Aber
das hier ist wie ein schlechter PR-Gag im Sprachgewand des
Gesetzgebers. Und wenn ich nicht wirklich verärgert wäre von
der neuen Möglichkeit, dass bei hochrangigen Verkehrsvorha-
ben der Gesetzgeber nun das Schutzniveau des UVP-Gesetzes
unterlaufen kann, dann würde mich vielleicht der Fun-Faktor
dieser Regelungen belustigen.
DR. CORNELIA MITTENDORFER*
verse
Wirtschaft & Umwelt 4/2012
Seite 33
prüfung neu – TopoderFlop
B
CON
RECHTSMITTEL FÜR NGOs: HINDERNISRENNEN, BEI DEM
DAS STRAUCHELN SCHON EINKALKULIERT IST.
Die UVP auf dem Prüfstand
Cornelia Mittendorfer (Hrsg.): Die UVP auf dem Prüfstand: Zur
Entwicklung eines umkämpften Instruments. Tagungsband.
Studienreihe Informationen zur Umweltpolitik, Nr. 177. AK-Wien.
Download:
-
nenzurUmweltpolitik177.pdf
FESTSTELLUNGSVERFAHREN: DEN PATIEN-
TEN DORT BEHANDELN, WO ES DRÜCKT.
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