Schwerpunkt
Fotos: Schuh (1), Haderer (1)
Wirtschaft & Umwelt 4/2012
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setzte Schäden oft lang dauernde Folgen.
Neben diesem allgemeinen Wirkme-
chanismus der Staubteilchen existieren
nochandere,diejenachGrößeundchemi-
scher Zusammensetzung unterschiedlich
sind: Ganz kleine Teilchen, etwa 10 bis
100 nm, sogenannte Nanoteilchen bzw.
Ultrafeinstaub, können biologische Bar-
rieren überwinden und gelangen daher
aus der Atemluft in den Lungenbläschen
direkt in den Blutstrom und von dort in
alle Organe. Wegen ihrer geringen Größe
können sie unmittelbar chemische Reak-
tionen mit wichtigen Strukturproteinen
eingehen. Fehlerhaft gefaltete Protein-
moleküle sind ein „Markenzeichen“ ver-
schiedener degenerativer Erkrankungen
(z.B. Morbus Alzheimer). Welche Rolle
Ultrafeinstaub bei der Zunahme dieser
degenerativen Erkrankungen spielt, ist
Gegenstand intensiver Forschung.
ULTRAFEINSTAUB
Manche chemische Bestandteile des
Feinstaubes wie zum Beispiel Teer-
produkte schädigen das Genmaterial
im Zellkern und verursachen dadurch
Krebs. Sie finden sich in vielen Stäuben,
die aus Verbrennungsvorgängen hervor-
gegangen sind (Ruß). Metalle im Staub
beeinflussen das Redoxgleichgewicht im
Gewebe und können daher zur Oxidation
wichtiger Fettstoffe in Zellmembranen
führen und damit die Zellfunktion be-
einträchtigen. Die oxidierten Fette selber
haben zelltötende und krebserregende
Eigenschaften.
Die Gefährlichkeit einzelner Anteile
des Feinstaubes ist besonders gut belegt.
So ist zumBeispiel der Ruß aus Verbren-
nungsmotoren pro Massenanteil um ein
Vielfaches schädlicher als das gesamte
städtische Feinstaubgemisch. Vor allem
Beobachtungen an Arbeitsplätzen, die
mit hohen Rußbelastungen einhergehen
(z.B. im Tunnelbau), führten dazu, dass
die Krebsforschungsagentur der Weltge-
sundheitsorganisation erst unlängst Ruß
als sicher krebserregend eingestuft hat.
Die ultrafeinen Teilchen sind ge-
fährlich wegen ihrer großen Anzahl pro
Masseneinheit. Allerdings sind sie sehr
reaktiv. Auch wenn dies unmittelbar zu
ihrer Aggressivität und Gefährlichkeit
beiträgt, verringert es doch auch ihre „Le-
benserwartung“: Sie neigen stark dazu,
sich zu größeren weniger reaktiven und
stabilen Aggregaten zusammenzuschlie-
ßen. Wenn man sich vom Rand einer
stark befahrenen Straße entfernt, ändert
sich die Massenkonzentration nur wenig,
die Teilchenzahl nimmt aber rasch ab,
so dass der Einfluss der Straße auf die
Teilchenzahl nur etwa 100 bis maximal
200 Meter weit nachweisbar ist. Auch
nahe der Straße wird aber ein Großteil
der Feinstaubmasse durch gröbere Par-
tikel gebildet, die durch Abrieb (Straße,
Splitt, Reifen, Bremsen) und Wiederauf-
wirbelung verursacht wurden. Die große
Zahl der ultrafeinen Teilchen kommt al-
lerdings aus demAuspuff der Fahrzeuge.
GEFAHR DAUERBELASTUNG
Immer noch beeinflusst die Witterung
wie bei der Smogkatastrophe von Lon-
don die tägliche Luftqualität. Kurzfris-
tige Spitzen der Schadstoffbelastung in
Städten lassen sich daher nur wenig durch
politisch-administrative Maßnahmen be-
seitigen. Gesundheitlich bedeutender als
die kurzen Belastungen, die etwa durch
Überschreitung eines gesetzlich vorge-
gebenen Grenzwertes für das Tagesmit-
tel bei der Feinstaubmasse (PM10) ange-
zeigt werden, ist jedoch die langfristige
Belastung der städtischen Bevölkerung,
Klein aber oho!
Bei Feinstaub ist die Anzahl entscheidender als
die Gesamtmasse. Daher sind viele kleine Teil-
chen gefährlicher als wenige große. Mehr Infos
in der Literaturdatenbank zu Luftschadstoffen:
Gesundheitsfolgen
Die Luftqualität in den europäischen Städten ist besser
geworden. Sie ist aber immer noch nicht gut genug
und die Grenzwerte sind nicht streng genug, um jeden
Gesundheitsschaden zu verhindern. Projekthomepage zur
Gesundheitsfolgenabschätzung:
Auto und Zigarette
Das Auto und die Zigarette sind die beiden
wichtigsten Quellen von gesundheitsgefährlichem
Feinstaub an der Außenluft und im Innenraum.
Homepage zu Tabakschäden:
-
teinitiative.at
Im Gegensatz zu den Stickoxiden wird
das meiste Ozon nicht unmittelbar von
einer Quelle abgegeben, sondern ent-
steht durch atmosphärische chemische
Vorgänge unter der Einwirkung der UV-
Strahlen der Sonne, wobei Stickoxide
und flüchtige organische Verbindungen
seine Bildung begünstigen. Ozon ist
daher nicht nur für sich ein aggressives
Gas, das Zellen und organisches Mate-
rial durch Oxidation zerstören oder schä-
digen kann. Es zeigt auch an, dass in der
Luft ein reaktives Schadstoffgemisch
vorliegt, das die Ozonbildung begünstigt.
Einige Menschen reagieren besonders
empfindlich auf Ozon und erleiden schon
bei relativ niedrigen Konzentrationen eine
Einschränkung der Lungenfunktion im
Sinne einer asthmatischen Reaktion. Be-
denklicher ist die langfristige Einwirkung
von Ozon, die zu einer beschleunigten
Alterung des Lungengewebes führt, die
vor allem auch durch einen Verlust an
Gewebselastizität gekennzeichnet ist.
OZON
Kurz- und Langzeitwirkungen
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WIR KÖNNEN NICHT NICHT ATMEN. DAHER IST
SAUBERE LUFT IMMER UND ÜBERALL FÜR UNS
BESONDERS WICHTIG.