wobei selbst weit unterhalb des ge-
setzlich zulässigen Grenzwertes für das
Jahresmittel noch deutliche Auswirkun-
gen auf die Lebenserwartung und das
Erkrankungsrisiko zu beobachten sind.
Maßnahmen, die zu einer nachhaltigen
Verbesserung der Luftqualität führten,
wie das Verbot von Kohleheizungen in
Dublin, haben rasch zu einer deutlichen
Erhöhung der durchschnittlichen Le-
benserwartung geführt.
KOSTEN UND LEBENSERWARTUNG
Um politische Maßnahmen oft auch
gegen die Interessen einzelner Gruppen
(z.B. AutofahrerInnen) durchzusetzen,
wird versucht, die Kosten und den Ge-
sundheitsnutzen auf eine vergleichbare
Weise zu quantifizieren. Die Ansätze,
Krankheiten, Leid und Tod mit Geld-
werten zu messen, führten bisher zu recht
widersprüchlichen Ergebnissen. Die Ex-
pertInnen sind sich nicht einmal einig, ob
eher die Zahl vermeidbarer Todesfälle
oder die gewonnene bzw. verlorene Le-
benszeit bewertet werden soll: wiegt der
Tod eines Erwachsenen mehr oder we-
niger als der eines Kindes? Doch selbst
wenn nur die tatsächlich anfallenden
Behandlungskosten und der Verlust an
Arbeitsleistung beziffert werden, stellen
sich Maßnahmen zur Schadstoffredukti-
on in der Regel als kosteneffektiv heraus.
Bereits vor der Jahrtausendwende wurde
abgeschätzt, dass in Österreich jährlich
durch die Feinstaubbelastung etwa 5.000
bis 6.000 Menschen vorzeitig sterben.
Die Schadstoffbelastung hat sich seither
in weiten Teilen des Landes kaum redu-
ziert. Das Umweltbundesamt schätzte
2005 mittels WHO-Methode, dass die
Feinstaubbelastung die Lebenserwartung
jedes Österreichers um etwa sieben bis
12 Monate verkürzt. Die höchsten Belas-
tungen fanden sich in Graz, das durch die
Beckenlage südlich der Alpen meteoro-
logisch benachteiligt ist. Für diese Stadt
ergab die Rechnung eine durchschnittli-
che Lebenszeitverkürzung von 17 Mona-
ten. Gerade Graz bemühte sich sehr um
eine Verbesserung der Luftqualität, so
dass eine neue Berechnung im Jahr 2010
nur noch einen Lebenszeitverlust von 11
Monaten ergab. Während das Auto der
größte Feinstaubverursacher der städ-
tischen Außenluft ist, übernimmt diese
Rolle im Innenraum die Zigarette.
£
Schwerpunkt
Seite 24
Wirtschaft & Umwelt 4/2012
Interview folgt
*
Kurt Straif, MD MPH PhD,
Head IARC Monographs, International
Agency for Research on Cancer (IARC),
World Health Organization (WHO).
Was genau an Dieselabgasen ist
so gefährlich?
Straif:
Es ist richtig, dass Diesel-
abgase seit Juni 2012 – ebenso
wie Arsen oder Senfgas – von
der IARC nun in die Gruppe 1,
„krebsgefährdend für den Men-
schen“, eingestuft sind. Dennoch
ist dieser Vergleich insofern etwas
unglücklich, weil Arsen oder
Senfgas hauptsächlich wegen
ihrer akuten Gefährlichkeit bekannt
sind. Ein besserer Vergleich wäre
z.B. Passivrauchen – auch weil
hier ebenso wie bei Dieselabgasen
primär ein Zusammenhang mit
Lungenkrebs aufgezeigt wurde. Der
genaue Wirkmechanismus ist noch
nicht vollständig geklärt, jedoch
spielen die eingeatmeten Partikel
und Bestandteile der Gasphase
der Dieselabgase eine Rolle bei der
Krebsentstehung.
Welche Gruppen von Arbeitneh-
merInnen sind stark betroffen?
Straif:
Wichtige einstufungsre-
levante Untersuchungen zeigten
erhöhte Lungenkrebsrisiken u.a.
bei Bergarbeitern unter Tage, bei
LKW-Fahrern sowie Personal auf
dieselbetriebenen Zügen, andere
Studien fanden aber auch erhöhte
Risiken aus anderen Expositions-
quellen für Dieselabgase. Neben
dem Straßenverkehr werden
Dieselmaschinen auch im Zug-
oder Schiffsverkehr, bei großen
Baugeräten oder Stromgeneratoren
eingesetzt, dabei unterliegen Stra-
ßenfahrzeuge noch den striktesten
Emissionsvorschriften – zumindest
in einigen Industrieländern.
Wieso hat es so lange gedauert
bis Dieselabgase als krebserre-
gend eingestuft wurden?
Straif:
Dieselabgase wurden
von der IARC bereits 1988 als
„wahrscheinlich krebserregend“
eingestuft, und die Erkenntnis zur
Krebsgefährdung insbesondere aus
epidemiologischen Studien hat sich
seither kontinuierlich weiter ver-
dichtet. Die Monographie-Sitzung
wurde einberufen, nachdem klar
war, dass wichtige große Studien
rechtzeitig zum Arbeitsgruppentref-
fen in Lyon verfügbar sein würden,
um so den Einfluss möglicher
Störfaktoren (Rauchverhalten,
andere berufliche Risikofaktoren für
Lungenkrebs) besser abzugrenzen
und das Ausmaß des Expositions-
Wirkungszusammenhangs genauer
zu beschreiben.
Warum fahren Autos nach wie
vor ohne Partikelfilter?
Straif:
Die von der IARC ein-
berufene Arbeitsgruppe der zu
diesem Thema weltweit führenden
ExpertInnen bewertete die wissen-
schaftliche Datenlage zur Krebsge-
fährdung. Mit der neuen Einstufung
ist es jetzt Aufgabe nationaler und
internationaler Gremien, diese
Erkenntnis in Schutzvorschriften
umzusetzen und zu überprüfen,
ob die aktuell gültigen Vorschriften
ausreichenden Schutz bieten;
hierbei sollten Altfahrzeuge, die oft
wesentlich zur Gesamtexposition
beitragen, sowie andere Quellen
von Dieselabgasen, z.B. Bau-
maschinen, in die Überlegungen
einbezogen werden.
INTERVIEW MIT KURT STRAIF VON DER IARC
DIESELABGASE SIND KREBSERREGEND
Die Internationale Agentur für Krebsforschung IARC, Teilorganisa-
tion der Weltgesundheitsorganisation WHO, hat Dieselabgase als
krebserregend eingestuft – so gefährlich wie Arsen, Asbest oder
Senfgas! Was nun?
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