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AK FÜR SIE 02/2015
Schulfinanzierung
Unsere Schule ist nicht gerecht
Zahlen und Fakten:
Wovon der Lernerfolg unserer SchülerInnen abhängt.
Drei Risikofaktoren:
In unseren Schulen kommen SchülerInnen nur schwer mit, wenn die
Eltern maximal die Pflichtschule abgeschlossen haben, als Hilfskräfte arbeiten oder zu Hause
nicht Deutsch gesprochen wird.
Zumindest einen Risikofaktor hat ein Fünftel der SchülerInnen am Land,
ein Viertel
in Kleinstädten und Vororten und die Hälfte in Großstädten und Ballungsräumen.
Ein Fünftel der Volksschulen
hat im Österreich-Schnitt besonders viele Schülerinnen,
denen die Eltern aufgrund ihres Bildungsstands oder Verdiensts nicht beim Lernen helfen oder
für teure Nachhilfe zahlen können. In Wien ist die Hälfte der Volksschulen davon betroffen.
Mit sozialer Schulfinanzierung wäre ein Ausgleich möglich.
Bekommen die Schulen
mehr Geld, je mehr sozial benachteiligte SchülerInnen sie haben, dann kommen eher alle mit.
Alle kommen mit
Damit in unseren Schulen kein Kind zurückbleibt,
muss eine Schulfinanzierung her, die Kinder aus
sozial benachteiligten Familien unterstützt.
I
ch wünsch’ mir einen größeren
Sportplatz“, sagt der 10-jährige Sey-
fulla. „Ich will mehr Bäume im Hof“,
meint die 8-jährige Tringa. „Ein Klet-
tergerüst wäre toll“, sagt wiederum
der 9-jährige Kutay. Die Wünsche
der SchülerInnen der Volksschule
Ortnergasse im 15. Bezirk sind bescheiden
– und doch schwer umsetzbar, da das Geld
an allen Ecken und Enden fehlt.
Auch Sarahs Wunsch wird nicht so
schnell in Erfüllung gehen: „Eine Lesevideo-
thek, wo man viele Bücher hat.“ Oder der
von Hannah: „Dass für die Kinder, die nicht
so gut lesen können, mehr Sachen zum För-
dern erfunden werden.“ Sie
hätte gern „mehr Bücher und
mehr Zeit für die Kinder, die
langsam sind“.
Zu wenig Geld
Direktorin Petra Feichtinger
in der Ortnergasse hat nur ein Ziel: ihre
jungen SchülerInnen gut auf das Leben
vorzubereiten. Dass das nicht so einfach
ist, weiß sie, denn die meisten SchülerIn-
nen hier kommen aus sozial benachteilig-
ten Familien. Die Direktorin: „Ich brauche
mehr Ressourcen.“
Es ist ungerecht: Bei der Geldzutei-
lung an die Schulen wird nicht berücksich-
tigt, welche Kinder an einem Standort
sind. In vielen Schulen würde die Mehrheit
der SchülerInnen von der Schule mehr Un-
terstützung brauchen, weil ihnen die Eltern
etwa nicht beim Lernen helfen können.
Beispiel Niederlande
„Die SchülerInnen verbringen mehr Zeit in
der Schule als mit den Eltern, sie müssen
sich hier entfalten können“, sagt Direktorin
Petra Feichtinger. Zusätz-
liches Geld würde sie be-
wusst einsetzen: „Für mehr
Personal, für mehrsprachige
Pädagoginnen und Pädago-
gen, für Sportstätten und für
kulturelle Aktivitäten. Oft kön-
nen sich die Eltern die fünf Euro für den
Theaterbesuch nicht leisten.“
Internationale Beispiele zeigen, dass zu-
sätzliches Geld für Schulen mit vielen Schü-
lerInnen aus einem sozial benachteiligten
Umfeld zu besseren Arbeitsbedingungen
und einer höheren Unterrichtsqualität füh-
ren kann. Die Mittelzuteilung erfolgt etwa in
den Niederlanden auf Basis eines Sozialin-
dexes. Dort bekommen die Schulen für
SchülerInnen aus „bildungsfernen“ Familien
zwischen 30 und 120 Prozent mehr Geld.
Das Bundesinstitut für Bildungsfor-
schung, Innovation und Entwicklung des
österreichischen Schulwesens (Bifie) hat
errechnet, dass in Wien mehr als die Hälf-
te der Volksschulkinder in eine Schule
geht, die bei einer sozialen Schulfinanzie-
rung wie in den Niederlanden mehr Geld
bekäme. Somit wäre eine solche Schul-
finanzierung keine Maßnahme zur Armuts-
Einen Freizeitraum zum Spielen
haben sie. Aber die Kinder in der
Volksschule Ortnergasse hätten auch
gern „mehr Sachen zum Fördern“
und einen großen Spielplatz.
Im Bild von vorne nach hinten:
Sarah, Lionel, Hannah, Kutay,
Seyfulla, Tringa, Hava
„Ich möchte mehr
Bücher und mehr
Zeit für die Kinder,
die langsam sind.“
Hannah,
Volksschülerin
Quelle: Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens (Bifie)
Foto: Mischa Nawrata
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