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AK FÜR SIE 10/2015

Weil es einfach

sein muss

Die WienerInnen helfen engagiert. Eine ganze

Stadt meistert eine Ausnahmesituation und

funktioniert weiter auch im Alltag.

W

erner Hlawatsch bringt zum

ersten Mal seit Jahren weni-

ger als 90 Kilo auf die Waa-

ge. Sein altes Kampfgewicht

hat sich der Sportpädagoge

beim Sportamt Wien bei der Flüchtlingsun-

terbringung in der Sport- und Fun-Halle des

Dusika-Stadions zurückge-

holt: In tage- und nächtelan-

gem Einsatz sorgen er und

seine KollegInnen dafür,

dass hunderte Flüchtlingsfa-

milien nach oft monatelanger

Flucht erstmals für ein paar

Tage zur Ruhe kommen. Hla-

watsch und seine KollegIn-

nen von der Stadt sind die

Grundstruktur. „Aber ohne

die täglich bis zu 20 Freiwilligen, etwa vom

ASB, der Gewerkschaft Vida, Dolmetschern,

Rechtsberatern und Ärzten, ginge nichts“,

sagt Hlawatsch.

Er und seine KollegInnen vom Sportamt

haben sich in 12-Stunden-Schichten aufge-

teilt, machen freiwillig mehr und übernach-

ten in der Halle, auf einer Ledercouch. Die

Busse aus Nickelsdorf kommen oft mitten in

der Nacht. Dann gibt es morgens um 3 Uhr

für übernächtigte, frierende und hungrige

Männer, Frauen und Kinder

eine Matratze, eine Decke,

Essen, einen warmen Tee.

„Die brauchen wirklich

Hilfe. Alles, was die haben,

geht in ein Plastik-Sackerl“,

sagt Hlawatsch.

„Im Sportamt der MA 51

ist jeder irgendwie beteiligt“,

sagt Anatol Richter, Leiter

des Sportamts (MA 51) und

Chef von Hlawatsch. „Wer nicht direkt mit

den Flüchtlingen arbeitet, hält im Amt die

Stellung.“ Er spürt im Amt „ein Gefühl für

die doppelte gemeinsame Aufgabe: Die

Menschen gut zu versorgen und

gleichzeitig alles zu tun, damit die

Verwaltung weiterläuft“.

Helfer und Einspringer

Vom Krankenanstaltenverbund

KAV haben sich allein am ersten

Fluchtwochenende 130 Helfe-

rInnen gemeldet. Die Vinzenz-

gruppe gibt jedem Beschäftigten

einen Tag frei zum Helfen. Der

Gewerkschaftsbund ÖGB er-

möglicht seinen MitarbeiterInnen

mitzuhelfen. „Darüber waren wir

uns mit der Geschäftsführung

sofort einig“, sagt etwa Helga

Kien, Betriebsrätin im orthopädi-

schen Spital Speising. „Wir sind

stolz auf die, die vor Ort helfen, und auf die,

die für Helferinnen und Helfer einspringen,

damit unser Spitalsbetrieb weiterläuft.“

Die Bahnhöfe sind Dreh- und Angel-

punkt für die Schutzsuchenden auf dem

Weg nach Deutschland, Belgien, Großbri-

tannien oder Schweden. Allein am 1. Wo-

chenende Ende August haben die ÖBB

22 Sonderzüge rollen lassen. Inzwischen

sind es weniger, mal 4 pro Tag, mal gar

keiner. Solche Sonderzüge müssen ge-

plant, gefahren, wieder retourgebracht

und gewartet werden. Von den 100 Eisen-

bahnerInnen vom Krisenstab über die Lok-

Fotos: Thomas Lehmann

Flüchtlingshilfe

Kurt Pollak ist

„nicht unzufrieden“:

Viele Beitragsjahre

bringen ihm um die

3.000 Euro Brutto-

pension

rund 167.000

Flüchtlinge*

kamen im September nach Österreich

über 150.000

(über 90%) von ihnen

sind weitergereist

* Quelle: Bundeskanzleramt

Zahlen&Fakten

„Wir haben eine

doppelte Aufgabe:

Die Menschen gut

versorgen und alles

tun, damit die Ver-

waltung weiterläuft“

Anatol Richter,

Leiter Sportamt

Wien (MA 51)

Wien Westbahnhof: Die ÖBB zeigen seit Wochen, was

ein großes Staatsunternehmen leisten kann

Foto: Christian Fischer