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20

AK FÜR SIE 10/2017

Lehrstellen:

Die Lücke bleibt

22.000 Jugendliche ohne Lehrstelle im

Betrieb –

und nur gut 1.200 offene Lehrstellen

mehr als voriges Jahr: Das ist traurige Wirklich-

keit für die Jugendlichen, für die heuer zum

ersten Mal die Ausbildungspflicht gilt. Die

Ausbildungspflicht muss auch Bildungspflicht für

die Betriebe sein – die AK fordert, dass die

Unternehmen mehr Lehrstellen schaffen und nicht

nur über den Mangel an Fachkräften klagen.

Trotz Ausbildungspflicht stehen 22.000 Jugend-

liche ohne Lehrstelle im Betrieb da. Dabei ist die

Ausbildung für die Betriebe sogar ein Geschäft.

Und wo ist

mein Lehrplatz?

Ausbildung

Ü

ber 40 Bewerbungen hat Erfan

Musa schon abgeschickt, Ant-

worten sind immer ausgeblieben.

Seit fünf Monaten sucht er eine

Lehrstelle als Einzelhandelskauf-

mann. „Ich habe mich immer schon für

Mode interessiert, und mir gefällt schöne

Kleidung“,

erklärt

der

20-Jährige. Im Vordergrund

steht für ihn, eine Ausbil-

dung zu haben. Bekommt

er keine Lehrstelle in der

Wunschbranche, kann sich

Erfan auch eine Ausbildung

zum Automechaniker vorstellen.

Wählerische Firmen

Erfan teilt sein Schicksal mit rund 22.000

Jugendlichen, die derzeit keine Lehrstelle

in einem Betrieb haben. Sie machen eine

öffentlich finanzierte überbetriebliche Aus-

bildung, sind in anderen Schulungen oder

einfach als lehrstellensuchend gemeldet.

Ihnen bieten die Unternehmen nur knapp

5.700 offene Lehrstellen – und das, ob-

wohl heuer erstmals die Ausbildungs-

pflicht bis 18 gilt.

Wie Erfan besucht auch Sophia Lange-

nau den vom AMS vermittelten BFI-Kurs

„Neue Wege“, bei dem die Jugendlichen

auf der Suche nach Lehr-

plätzen unterstützt wer-

den. Seit Juni durchforstet

sie Stellenanzeigen, um

eine Lehre zur Konditorin

beginnen zu können. Mit

Initiativbewerbungen hat

die 21-Jährige alle der rund 80 Konditorei-

en in Wien kontaktiert, die sie im Web ge-

funden hat. Antworten gab es meist keine.

Peter Dominkovits, Abteilungsleiter

beim AMS Jugendliche, kennt die Hürden,

die Jugendliche bei der Lehrstellensuche

überwinden müssen: „Bei den Einstiegs-

tests, die viele Unternehmen durchführen,

hängt es auch immer von der Tagesverfas-

sung ab, wie die Jugendlichen abschnei-

den. Die Prüfungsangst spielt dabei eine

große Rolle.“ Auch die Schere zwischen

den Anforderungen im Lehrberuf und dem

schulischen Niveau geht laut dem Exper-

ten auseinander.

Freilich ist es überraschend, dass die

Unternehmen bei der Auswahl von Lehrlin-

gen derart wählerisch sind. „Vor allem im

Metallbereich fordert die Wirtschaft immer

wieder Fachkräfte, die Unternehmen bilden

aber selbst zu wenige junge Leute aus“,

weiß Edith Kugi-Mazza, AK Expertin für

Lehrlings- und Jugendschutz. Die Ausrede,

eine Lehrlingsausbildung wäre für den Be-

trieb zu teuer, widerlegt eine Studie, die vom

Wirtschaftsministerium beauftragt wurde.

Gewinn durch Lehrlinge

Rechnet man die Lehrstellenförderung für

Betriebe und die Kosten mit ein, welche die

Rekrutierung von Fachkräften kostet, bringt

„Die Wirtschaft fordert

Fachkräfte, bildet aber

selbst zu wenig aus.“

Edith Kugi-Mazza,

AK Lehrlingsexpertin

Suchen seit Monaten eine Lehrstelle: Sophia

Langenau und Erfan Musa im AMS-Kurs

„Neue Wege“. Sie will Konditorin werden, er

Einzelhandelskaufmann

2012 2013 2014 2015 2016 2017

19.655

4.870

-14.785 -16.032 -16.433 -16.904 -16.988 -16.313

20.155

4.123

20.576

4.143

20.934

4.030

21.433

4.455

22.004

5.691

n

fehlende Lehrstellen

n

offene Lehrstellen*

n

Junge ohne Lehre im Betrieb*

*) jeweils Ende August

Fotos: Lisi Specht