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Wirtschaft & Umwelt 2/2016
die ersten Forststraßen für RadfahrerInnen
angeboten, aktuell sind rund 2.100 Kilome-
ter auf vertraglicher Basis für RadlerInnen
geöffnet. Das ist aber nur ein kleiner Teil des
Forststraßennetzes der Bundesforste. Ohne
Vertrag und Abgeltung läuft nichts.
Vertragsmodell hat Grenzen
120.000 Kilometer Forststraßen sollen
vom Österreichischen Forstverein mehr als
optimistisch geschätzte 27.000 Kilometer
vertraglich gesicherte Routen gegenüberste-
hen, wobei diese Routen nicht unbedingt auf
Forststraßen verlaufen müssen. Regional ist
das Angebot unterschiedlich, so bietet das
„Tiroler Mountainbikemodell 2.0“ Routen
im Ausmaß von 5.345 Kilometer und 186
Kilometer Singletrails an. ImSalzburger Pinz-
gau stehen 1.600 Kilometer Mountainbike-
Routen und 28 Trails zur Verfügung. Auf der
Homepage der Steiermark Tourismus wer-
den gerade einmal 16 Routen angeboten.
In vielen Gebieten, insbesondere in we-
niger touristischen Regionen, gibt es über-
haupt kein Angebot. Für die TouristInnen sind
imRahmen des Urlaubs auch wenige Routen
noch attraktiv, während die einheimischen
Erholungssuchenden bei den vorhandenen
unzähligen Forststraßenkilometern nicht
auf einzelne Angebote in ihrer Wohnregion
angewiesen sein wollen.
Verträge sind deshalb nur bedingt geeig-
net, weil der Erfolg an der Bereitschaft der
GrundeigentümerInnen (WegerhalterInnen)
hängt und Organisationsaufwand sowie
Kosten zu berücksichtigen sind.
Schon an der Bereitschaft einzelner
GrundeigentümerInnen kann die vertragliche
Lösung für eine Fahrrad-Route scheitern.
Auch von der Zustimmung der Jagdpächte-
rInnen kann eine Einigung abhängen. Bereits
ausverhandelte Routen stehen wieder in
Frage, wenn einzelne GrundeigentümerIn-
nen ihre Zustimmung zurückziehen.
Die Einrichtung einer Route kostet Geld
und braucht eine BetreiberIn für die laufende
Betreuung. In vielen Regionen fehlen Betrei-
berInnen, weniger finanzkräftige Gemeinden
bzw. Tourismusverbände können schnell
einmal überfordert sein. Aus der Sicht der
Erholungssuchenden ist daher der gesetzli-
chen Öffnung von Forststraßen für Radfah-
rerInnen eindeutig der Vorzug einzuräumen.
Zugang zur Natur sollte
ein Grundrecht sein
Neben der Diskussion über das Radfah-
ren auf Forststraßen darf nicht vernachläs-
sigt werden, dass private Straßen und Wege
nicht dem Gemeingebrauch unterliegen und
von GrundeigentümerInnen jederzeit ge-
sperrt werden können. Sogar bestehende
Wegerechte gehen verloren, wenn Grund-
eigentümerInnen drei Jahre die Ausübung
des Wegerechtes erfolgreich verhindern.
Welcher Erholungssuchende hat sich noch
nicht über die Sperre von Wegen geärgert?
Viele Wege sind in den letzten Jahren nicht
zuletzt wegen der Änderung der landwirt-
schaftlichen Strukturen verloren gegangen.
Traditionelle Fußwege haben ihre Bedeutung
im täglichen Alltag verloren und verschwin-
den.
Ungeachtet des hohen gesellschafts-
politischen Stellenwerts der Erholung und
Regeneration in der freien Natur fehlt in
Österreich ein allgemeines Recht, das die
Wegefreiheit und den Zugang zur freien
Natur gewährleistet. Ein Grundrecht auf Na-
turgenuss und Erholung in der freien Natur
wie in der Bayerischen Landesverfassung
würde die Diskussion der Erholungsnutzung
durch die Allgemeinheit in Österreich auf eine
neue Basis stellen, die Frage der Sozialbin-
dung des Eigentums wäre rechtlich damit
klargestellt.
Vorbild Bayern
In Bayern ist das allgemeine Betretungs-
recht in der freien Natur gewährleistet, das
Radfahren ist auf allen geeigneten Wegen
erlaubt. Bemerkenswert ist in Bayern auch
die verfassungsrechtliche Verpflichtung von
Staat und Gemeinde, der Allgemeinheit die
Zugänge zur Natur freizuhalten und allenfalls
durch Einschränkung des Eigentums freizu-
machen.
Das Bayerische Naturschutzgesetz re-
gelt die Erholung in der freien Natur und
sichert auch die Rechte der Allgemeinheit.
Wer vergleichbare Regelungen in den Natur-
schutzgesetzen der Bundesländer in Öster-
reich sucht, wird nicht fündig werden – das
Recht auf Erholung und Naturgenuss ist kein
Thema.
Fazit: Schaut man nach Bayern, werden
die rechtlichen Defizite bewusst. Über die
Frage der Öffnung der Forststraßen für Rad-
fahrerInnen hinaus ist also die Politik gefor-
dert, dem zunehmenden gesellschaftlichen
Stellenwert der Erholung in der freien Natur
entsprechend klare rechtliche Rahmenbe-
dingungen zu verschaffen. Es geht um einen
maßvollen Zugang zur Natur im Interesse der
Allgemeinheit, nicht um unverhältnismäßige
Beschränkungen des Eigentums.
£
Politik
Unser Standpunkt
Radfahrverbot auf Forststraßen
¢
ist für die AK eine unnötige Beschränkung der
Wegefreiheit
¢
ein Beispiel dafür, dass ein Grundrecht auf Erholung in
der Natur fehlt
¢
ein Beispiel für die in Österreich ausgeprägte
ideologische Grenze Eigentum
Das Verständnis für die Interessen der
Allgemeinheit hält sich bei vielen
GrundeigentümerInnen in Grenzen.
Fotos: ETF (1), fotolia/argus (1)