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Die drei Säulen von Aarhus sind: der freie Zugang zu
Umweltinformationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung
an großen Umweltverfahren und die gerichtliche Über-
prüfungsmöglichkeit von sonstigem umweltrelevantem
Tun oder Lassen von Behörden. Das noch Fehlende zur
dritten Säule werde kommen, hat der Umweltminister dem
Parlament im Juni 2014 angekündigt. Passiert ist seither
nur wenig. Arbeitsgruppen der Bundesländer haben hinter
verschlossenen Türen getagt. Die schon begutachtete
AWG-Novelle 2015, die die Seveso-III-Richtlinie umsetzen
soll, liegt noch immer in der Schublade, weil WKÖ und In-
dustriellenvereinigung wollen, dass dort nichts zu Aarhus
drinsteht. Nur das Bundesland Wien hat sich mutig mit
Entwürfen zum Landesnaturschutzrecht vorgewagt.
Die rechtlichen Argumente sind längst ausgetauscht.
Österreich ist auch EU-rechtlich zur Umsetzung verpflich-
tet, auch wenn die WKÖ das leugnet. Ein Mahnschreiben
der EU-Kommission ist ebenso eingelangt wie die Rüge
der Vertragsstaatenkonferenz der Aarhus-Konvention. Die
bisherigen Erfahrungen zeigen ganz wenige Umweltver-
fahren, an denen sich NGOs beteiligen. Man braucht sich
also vor den neuen Regeln nicht „zu Tode“ fürchten. Außer
Streit sollten auch die Parteistellungen der Umweltanwalt-
schaften stehen. Ihre Bedeutung liegt ohnedies eher in
den vielen kleine Verfahren, wo sie zur besseren Abwick-
lung beitragen.
Doch was braucht es da noch? Mittlerweile beklagen Wirt-
schaftsanwälte sogar schon die Rechtsunsicherheit für die
Unternehmen, gerade weil Bundes- und Landesgesetzge-
ber nicht tätig werden. Nun entscheiden die Gerichte im
Einzelfall, ob eine NGO gegen eine erteilte Genehmigung
nachträglich vorgehen kann. Wäre es da nicht klüger, dem
Vorbild von Wien zu folgen?
¨
www.ak-umwelt.atSeite 32
Wirtschaft & Umwelt 3/2016
Kontroverse
Pro
Mag. Werner Hochreiter
Con
Mag. Stefan Schwarzer
Soll die Aarhus-Konvention nun umgesetzt werden?
Fast zwei Jahre warten wir
auf die vom Umweltminister
versprochenen Vorschläge.
Projektverzögerungen schaden
dem Gemeinwohl.
Wer mit der Bahn von Wien nach Graz fahren möchte,
braucht viel Geduld. Bürgerinitiativen und Umwelt-NGOs
haben es „geschafft“, den Semmeringbasistunnel um
viele Jahre zu verzögern. Ein Pyrrhussieg aus Sicht der
öffentlichen Interessen und des Umweltschutzes.
Als Österreich 2005 die Aarhus-Konvention ratifizierte,
geschah das in der Überzeugung, die Vorgaben der drit-
ten Säule der Konvention, „Aarhus 3“, bereits vollständig
zu erfüllen. Dies durch die Umweltanwälte, die – welt-
weit einzigartig – in genehmigungs- und naturschutz-
rechtlichen Bewilligungsverfahren genauestens auf die
Einhaltung der Umweltschutzvorschriften achten. Jahre
später befand jedoch das Aarhus Convention Compli-
ance Committee, dass Umweltanwälte nicht anerkannt
werden.
Österreich braucht, was Partizipationsrechte in Ge-
nehmigungsverfahren anbelangt, keinen Vergleich zu
scheuen. Dabei werden akribisch alle Aspekte aufgezeigt,
die gegen ein Projekt sprechen. In Zeiten der Rekordar-
beitslosigkeit können wir es uns aber nicht leisten, die
Schaffung von Arbeitsplätzen aufs Spiel zu setzen, indem
öffentliche Interessen, die für ein Vorhaben sprechen,
weitgehend untergehen.
Um konkurrenzfähig zu bleiben, brauchen Unternehmen
zügige Genehmigungsverfahren und dürfen nicht in die
Warteschleife geschickt werden, bis der letzte Käfer ge-
zählt ist. Da die Vorgaben von „Aarhus 3“ unklar und ufer-
los formuliert sind (so hat auch der EuGH mangels aus-
reichender Bestimmtheit eine Direktwirkung von „Aarhus
3“ in den Mitgliedstaaten verneint), wäre eine Umsetzung
in Österreich, ohne klarstellende Regelungen durch eine
EU-Richtlinie, allzu leicht anfechtbar und würde somit der
Wirtschaft keine Rechtssicherheit bieten.
¨
*Mag. Werner Hochreiter
ist
Jurist und Mitarbeiter der Abteilung
Umwelt & Verkehr der AK Wien.
*Univ.-Doz. Dr. Mag. Stephan
Schwarzer
ist Leiter der Abteilung
für Umwelt- und Energiepolitik der
Wirtschaftskammer Österreich.
FOTOS: Schuh (1), WKÖ (1)