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Wirtschaft & Umwelt 4/2015

Seite 19

Diese Krise betrifft die Ressourcen-

basis der globalen Gesellschaften (ins-

besondere ihre Abhängigkeit von fossi-

len Brennstoffen wie Kohle und Öl) und

die Folgen aus ihrer Nutzung, geht aber

darüber hinaus. Einmal werden auch

Wechselwirkungen mit anderen Pro-

zessen zunehmend zum Problem, wie

vor allem mit Fragen der Landnutzung

und dem Verlust der Biodiversität, mit

geänderten Niederschlagsmustern und

der Wasserverfügbarkeit u.v.a.m. Dabei

sind Verteilungsfragen impliziert, denn

es gibt keineswegs nur Verlierer.

Die Interessengegensätze zwischen

den gesellschaftlichen Sektoren, die

die Nutzung fossiler Brennstoffe voran-

treiben, und klimafreundlicheren Sek-

toren und Lebensweisen, lassen sich

nicht durch moralische Appelle aus der

Welt schaffen. Verteilungsfragen sind

dabei eng mit Fragen der Gerechtig-

keit verbunden, denn betroffen von den

Klimafolgen sind oftmals nicht die

Profiteure aus der Nutzung fossiler

Energien, sondern in erster Linie är-

mere Bevölkerungskreise, die weni-

ger zum Klimawandel beitragen. Dies

gilt sowohl im nationalen als auch im

internationalen Rahmen, wo – nach

einer Faustformel – 20 Prozent der rei-

chen Industrieländer für 80 Prozent des

Treibhausgasausstoßes verantwortlich

sind.

Dagegen treffen die Folgen vor allem

die ärmeren Länder und Bevölkerungs-

kreise, die wenig zur Erderwärmung

beigetragen haben. Fragen sozialer

Verwundbarkeit sind also zentral, denn

es sind wirtschaftliche, soziale und po-

litische Faktoren, die letztlich dafür ver-

antwortlich sind, wie bestimmte Grup-

pen unter den Klimafolgen zu leiden

haben.

Zudem wird auch unser Verständ-

nis von „Natur“ und „Gesellschaft“

und damit das Selbstverständnis von

Gesellschaften zunehmend in Frage

gestellt. Insbesondere wirtschaftliches

Wachstum und die etablierte Form der

Produktion von Reichtum wird unter

Begriffen wie Post-Wachstum oder De-

Growth kritisiert. Zugespitzt: Wie kann

das „Gute Leben für alle“ angesichts

der Klimaveränderungen erreicht wer-

den? Soziale Bewegungen und Netz-

werke fordern seit einigen Jahren auf

internationaler Ebene unter der Forde-

rung nach Klimagerechtigkeit (Climate

Justice) die offizielle Klimapolitik her-

aus und klagen gerechtere globale Na-

tur- wie gerechtere soziale Verhältnisse

ein. Diese Kritik richtet sich nicht mehr

vordringlich an die internationale Kli-

madiplomatie, sondern versucht direkt

vor Ort anzusetzen, sei es in konkreten

Projekten wie alternativen Produktions-

und Lebensweisen, sei es im Wider-

stand z.B. gegen die weitere Nutzung

der Kohle.

Klimapolitik in der Krise

Auf internationaler Ebene kollidiert

die Klimapolitik notwendig mit an-

deren Politikfeldern. Salopp gesagt

wird bei internationalen Umweltab-

kommen immer auch die Energie-,

Wirtschafts-, oder Handelspolitik „mit-

verhandelt“ – und das oftmals in kon-

traproduktiver Weise. Für den Erfolg

dieser Abkommen ist also weniger die

gute (wissenschaftliche) Begründung

entscheidend als vielmehr die relative

Macht der Akteure in den verschiede-

nen Politikfeldern. Insbesondere bei

Spannungen zwischen Umwelt- und

(Frei-)Handelsabkommen ist das ent-

scheidend. Man spricht daher schon

länger von einer fragmentierten

Die Interessengegensätze zwischen den

gesellschaftlichen Gruppen lassen sich nicht

durch moralische Appelle aus der Welt schaffen.

Klima: Schlüsselbegriffe

Sybille Bauriedl (Hg.): Wörterbuch Klimadebatte. transcript-Verlag,

Bielefeld 2015. Eine kritische Analyse von 40 Schlüsselbegriffen des

Klimadiskurses.

Klimawandel verschärft die soziale Ungleichheit

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