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men wurden ein Element des neolibera-

len Umbaus globaler Gesellschaften.

Nicht ohne Grund formieren sich die

Gegenbewegungen mit ihrer Forderung

nach Klimagerechtigkeit weitgehend

außerhalb der etablierten Institutionen.

Die Koalitionen und Netzwerke, die sich

hinter der Forderung nach „Climate Ju-

stice Now“ versammelt haben, kritisie-

ren die neoliberale Hegemonie, doch ist

die Radikalität ihrer Forderungen sehr

unterschiedlich ausgeprägt.

Sozial-ökologische

Transformation

Aber eines dürfte inzwischen klar

geworden sein: die Klimaerwärmung

ist mit anderen Prozessen in komple-

xer Weise verbunden und sie kann nur

erfolgreich angegangen werden, wenn

die gesellschaftlichen Interessen und

die damit verbundenen Machtverhält-

nisse thematisiert und kritisiert werden.

Das ist letztlich die Herausforderung

einer sozial-ökologischen Transforma-

tion, die auch die Institutionen transfor-

mieren muss, mit denen gesellschaftli-

che Naturverhältnisse gestaltet werden

– in unserem Fall die Institutionen der

internationalen Umweltpolitik. Und für

einen solchen Umbau der Gesellschaf-

ten müssten sich auch neue Allianzen

und Bündnisse bilden. Bislang konnte

die Hegemonie neoliberaler Denkmus-

ter zwar angekratzt, aber noch lange

nicht überwunden werden. Wenigstens

in diesem Punkt stehen wir noch am

Anfang.

¨

Eine sozial-ökologische

Transformation bedeutet

auch eine Transformation

der Institutionen, mit

denen gesellschaftliche

Naturverhältnisse gestaltet

werden.

www.arbeiterkammer.at

Wirtschaft & Umwelt 4/2015

Seite 21

Was sind für aufstrebende Volks-

wirtschaften wie Brasilien die

zentralen Fragen bei der COP 21?

Moreno:

Länder, meist des globalen

Nordens, wollen das Grundprinzip

der Klimakonvention 1992, das

bezüglich des Klimawandels zwar

gemeinsame, aber unterschiedliche

Fähigkeiten und sich unterschei-

dende Verantwortlichkeiten von

Menschen und Ländern (CBDR–RC)

anerkennt, in Frage stellen und um-

schreiben. Wachsende Wirtschaf-

ten des globalen Südens, z.B. die

BRIC-Länder, sollen praktisch gleich

behandelt werden wie Industrielän-

der. Das geht nicht. Schon alleine

wegen des kolonialen Ballasts, der

zu einem großen Teil für die Un-

gleichverteilung in der Welt verant-

wortlich ist. Niemand will sich vor

seinen Verpflichtungen drücken.

Deshalb schlägt Brasilien vor, dass

„entwickelte Entwicklungsländer”

gemäß ihrer wachsenden Wirtschaf-

ten sukzessive mehr Verpflichtungen

übernehmen (Concentric Differentia-

tion Approach).

Welche Rolle spielt die Handels-

politik der Industrieländer bei der

Erreichung der Klimaschutzziele?

Moreno:

Ein Hauptverursacher der

Emissionen ist die Globalisierung

der Wirtschaft. Man muss wissen,

dass die Emissionen der großen

Fahrzeuge, der Schifffahrt oder

des Flugverkehrs nicht eingerech-

net werden, weil eine Vorgabe der

Klimakonferenz ist, dass der globale

Handel vom Klimaschutz ausge-

nommen bleiben soll. Das steigert

aber massiv die Emissionen. Wir

brauchen demgegenüber eine Rück-

führung auf regionalen und lokalen

Handel. Noch mehr “Freihandel” ist

das gerade Gegenteil von Klima-

schutz.

Was haben soziale Probleme und

Menschenrechtsfragen mit Klima-

politik zu tun?

Moreno:

Ganz viel! Eine der

gröbsten und grundlegendsten

Menschenrechtsverletzungen ist

die Vertreibung von Menschen von

ihrem Land: Landraub – und das

noch dazu im Namen von „carbon

farming”. Das erzeugt Landflucht

und Flüchtlingsströme. Natürlich

brauchen wir erneuerbare Energien,

aber das muss mit einer emanzipa-

torischen Politik, mit Kooperation

und Selbstverwaltung einhergehen.

Der Schlüssel ist: Respekt vor ande-

ren Kulturen und Lebensweisen.

Welche Fragen ergeben sich zur

Finanzierung von Programmen

zum Klimaschutz und zur Anpas-

sung an den Klimawandel?

Moreno:

Geld für Klimaschutz

haben die Entwicklungsländer bis

heute keines gesehen. Die Industri-

eländer sind sehr kreativ. Sie wollen

alle in der Vergangenheit investierten

öffentlichen Entwicklungshilfegelder

als bereits bezahlte “Klimagelder”

deklarieren. Weiters versuchen

sie, den komplexen Zustand des

Ökosystems in eine einzige Formel

zu pressen: CO

2

. Damit soll ge-

handelt und bezahlt werden. Aufs

Neue wird so alles vereinheitlicht,

die Vielfalt und die Gegensätze der

Gesellschaften sind nicht abgebil-

det, bleiben unsichtbar. Das dient

nur dazu, den Kapitalismus grün zu

färben und bloß “more of the same”

zu bekommen.

Interview mit Camila Moreno

UNO-Klimakonferenz in Paris

Anfang Dezember fand in Paris die 21. UNO-Klimakonferenz, COP 21, statt.

Thema: eine neue internationale Klimaschutz-Vereinbarung in Nachfolge des

Kyoto-Protokolls. Im Vorfeld sprachen wir mit dem zivilgesellschaftlichen

Mitglied der brasilianischen Regierungsdelegation

Dr. Camila Moreno.

*Dr. Camila Moreno

ist Soziologin und u.a. Mitglied der Arbeitsgruppe

für Politische Ökologie des „Lateinamerikanischen Rates der Sozialwis-

senschaften“ (CLACSO) und nahm als zivilgesellschaftliches Mitglied der

brasilianischen Regierungsdelegation an der COP 21 in Paris teil.