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Wirtschaft & Umwelt 4/2015
Architektur der internationalen Um-
weltpolitik, weil diese weit davon ent-
fernt ist, die komplex miteinander ver-
bundenen und sich gegenseitig über-
lappenden Materien angemessen zu
bearbeiten.
Doch das Problem sitzt noch tiefer.
Spannungen lassen sich nicht nur im
Verhältnis zwischen internationalen
Abkommen beobachten. Vielmehr sind
neoliberale Denkmuster längst auch in
die Umweltabkommen eingewandert,
was man an der Dominanz marktba-
sierter und flexibler Instrumente wie
z.B. handelbarer Emissionszertifikate
ablesen kann.
Die Neoliberalisierung
der Umweltpolitik
Dadurch sind zwar neue Märkte
entstanden, auf denen mit Verschmut-
zungsrechten gehandelt wird, aber
ohne dass diese Instrumente bislang
viel zum Klimaschutz beigetragen hät-
ten. Vielmehr kann man hier als über-
geordneten Trend eine Inwertsetzung
der Natur festmachen, die diese zum
Gegenstand kapitalistischer Akkumu-
lationsstrategien macht. Neben einer
Fragmentierung der internationalen
Umweltpolitik muss man also auch die
Hegemonie neoliberaler Denkmuster in
Rechnung stellen, die in der Klima- und
Umweltpolitik wie in vielen anderen Be-
reichen auch den Rahmen möglicher
Gegenmaßnahmen vorgibt.
Was kann man angesichts dieser
Ausgangslage von der internationalen
Klimapolitik erwarten? Schon vor den
letztlich gescheiterten Verhandlungen
in Kopenhagen 2009 waren die Klima-
rahmenkonvention, aber auch andere
Abkommen in die Kritik geraten. Letzt-
lich seien diese Abkommen nicht in der
Lage, die Ursachen der Umweltproble-
me wirksam anzugehen und die neo-
liberale Globalisierung entsprechend
zu gestalten. Die Fragmentierung der
internationalen Umweltpolitik und die
neoliberale Hegemonie wirken hier
zusammen, denn eine kohärente Ge-
staltung kapitalistischer Globalisierung
findet durch sie nicht statt. Umgekehrt
wurden die globalen Machtverhältnis-
se auch in internationalen Institutionen
festgeschriebenen und Umweltabkom-
Schwerpunkt
Weltklimapolitik
Der Handel mit Verschmutzungsrechten nützt dem Klimaschutz kaum
Ein Beispiel für eine von multiplen
Verwundbarkeiten geprägte Region
ist der Süd-Westen von Bangla-
desch. Schon heute kommt es zu
einer Versalzung der Böden mit weit-
reichenden negativen gesellschaftli-
chen Folgen für den Reisanbau, die
Trinkwasserversorgung, die Küsten-
fischerei, etc. Damit steigt der Nut-
zungsdruck auf andere Ressourcen,
wodurch wieder soziale Verhältnisse
tangiert werden (z.B. führen weitere
Wege für Trinkwasser und Feuerholz
zu besonderen Belastungen der
Frauen). Die sozialen Folgen sind
daher bereits jetzt dramatisch und
soziale Polarisierungen nehmen zu.
Soziale Verwundbarkeit baut also auf
gesellschaftlicher Ungleichheit auf
und verstärkt diese.
Soziale Verwundbarkeit
Das Beispiel Bangladesch
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Fotos: schuh (1), istock/Tarzan9280 (1), LLeisch (1)