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Seite 24
Wirtschaft & Umwelt 4/2016
Betrieb
Arbeitnehmerschutz: Risikobasierte Grenzwerte für krebserzeugende Stoffe nötig
konzentration des Stoffes
entspricht („Expositions-Risiko-
Beziehungen“ – siehe Kasten
Seite 25). Auf Grund dieser
Daten zeigt sich, dass mit man-
chen TRK-Werten extrem hohe
Krebsgefahren verbunden sind.
Auf EU-Ebene gibt es der-
zeit für vier krebserzeugende
Stoffe Arbeitsplatzgrenzwerte,
und zwar für Asbest, Benzol,
Vinylchlorid und Hartholzstaub.
Nach fast zehn Jahren Stillstand
hat der beständige Druck der
Gewerkschaften dazu geführt,
dass die Liste von EU-weit
verbindlichen Grenzwerten für
krebserzeugende Stoffe erwei-
tert wird. Elf Stoffe kommen
neu dazu, darunter so weit
verbreitete wie Quarzstaub und
Chrom-VI-Verbindungen. Frei-
lich sind die Grenzwerte immer
noch viel zu hoch.
Die Arbeitnehmervertreter
Innen auf EU-Ebene setzen sich
für „risikobasierte Grenzwerte“
ein. Das bedeutet, dass die
Grenzwerte für verschiedene
krebserzeugende Arbeitsstoffe
so gewählt werden sollen, dass
das zusätzliche Krebsrisiko bei
allen Stoffen gleich niedrig ist.
In Deutschland wurde dieses
Konzept bereits umgesetzt, in
Österreich sind erste vorsichtige
Schritte in diese Richtung zu
erkennen. Dieses neue System
bedeutet, dass die technische
Machbarkeit keine Rolle mehr
spielen soll, sondern nur mehr
die gesundheitlichen Auswir-
kungen eines Stoffes.
Immer noch zu hoch
Der von der Kommission
vorgeschlagene Grenzwert für
Chrom-VI-Verbindungen ist viel
zu hoch. Wer als Arbeitneh-
merIn ein Arbeitsleben lang die-
ser Konzentration ausgesetzt
ist, bekommt davon mit zehn-
prozentiger Wahrscheinlichkeit
Krebs. Dies ist ein viel zu hoher
Wert, der noch immer die alte
Philosophie der technischen
Machbarkeit widerspiegelt. Ei-
nige Mitgliedstaaten – darunter
Österreich – haben sich dafür
ausgesprochen, dass dieser
Wert möglichst bald weiter ge-
senkt wird.
Freilich: der derzeit geltende
Grenzwert für Chrom-VI ist in
Österreich noch höher als in der
neuen EU-Richtlinie. Und auch
bei anderen Stoffen liegen die
österreichischenWerte über dem
neuen EU-Recht. Das verdeut
licht vor allem, wie sehr die der-
zeitigenGrenzwerte veraltet sind.
So wichtig Grenzwerte im
ArbeitnehmerInnenschutz sind,
Der Europäische Gewerkschaftsbund
fordert seit langem die EU-weite Festle-
gung von verbindlichen Grenzwerten für
krebserzeugende Arbeitsstoffe, um eine
Angleichung der Mindeststandards in allen
Mitgliedstaaten zu erreichen.
Derzeit steht eine Novelle
der Karzinogen-Richtlinie
(2004/37/EG) kurz vor dem
Abschluss, die für weitere
elf Stoffe EU-weit verbindliche Arbeits-
platzgrenzwerte festlegt. Kritisch ist die
Entwicklung zu beobachten, dass mit der
Begründung, dass es EU-weit bindende
Grenzwerte gibt, krebserzeugende Stoffe
aus der Zulassungspflicht nach dem EU-
Chemikalienrecht REACH ausgenommen
werden können. Hier betonen die Gewerk-
schaften immer wieder, dass die beiden
Rechtsbereiche sich ergänzen, nicht
ersetzen sollen. Eine Stärke von REACH
bei der Zulassung ist die gesonderte
Betrachtung jeder einzelnen
Anwendung, der Arbeitneh-
merInnenschutz wiederum
achtet besser auf die Hier-
archie der Schutzmaßnah-
men. Freilich ist es wesentlich, dass nicht
nur die Festlegung von Grenzwerten auf
EU-Ebene voranschreitet, sondern dass
auch der Vollzug verbessert wird, der etwa
bezüglich der verpflichtenden Minimierung
der Exposition nicht nur in Österreich im
Argen liegt.
Grenzwerte
Entwicklungen auf EU-Ebene
ª
FOTOS: Streissler (1), Schuh (1), Syndicate european Trade Union (etui) (1), roadmaponcarcinogens.eu (1)